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Zukunftsfähige Mobilität im Alpenraum erfordert Wende der Güterverkehrspolitik in Europa und Deutschland

Europäische Verkehrsinitiative ITE für europaweite LKW-Maut

06.04.2002

Betroffene Bürgerinnen und Bürger lassen sich ihren Lebens- und Naturraum nicht länger überrollen und widersetzen sich der scheinbaren Logik des Güterverkehrswachstums auf den Alpenstraßen. Der alpenquerende Güterverkehr hat sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. 160 Millionen Tonnen Güter und 10 Millionen LKW durchqueren jedes Jahr die Alpen. Die Mitglieder der europäischen Verkehrsinitiative ITE, ein Netzwerk von 35 Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen aus acht Ländern, haben bei ihrer internationalen Verkehrstagung in München zur Solidarität im Kampf gegen die Rückkehr der Laster am Mont Blanc in Italien und Frankreich aufgerufen und eine Wende in der europäischen Verkehrspolitik eingefordert.

Nach einer aktuellen Studie der Prognos AG wird bis zum Jahr 2010 mit 65 Prozent Zuwachs im alpenquerenden Güterverkehrs auf der Straße gerechnet wenn sich die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen nicht ändern. Deutschland allein ist für ein viertel des alpenquerenden Güterverkehrs verantwortlich. Waren es beispielsweise 1990 noch 850.000 Transitfahrten über den Brenner stieg diese Zahl im Jahr 2000 auf über 1,7 Millionen an. Dabei sind Alternativen möglich: So werden in der Schweiz nur 20 % des Gütertransitverkehrs auf der Straße abgewickelt, 80 % auf der Schiene. Bei der Gütermenge die von Bayern ausgehend über die Alpen rollt ist das Verhältnis genau umgekehrt.

Als ein zentrales Ergebnis der neunten internationalen Verkehrstagung der Europäischen Verkehrsinitiative ITE, die vom Bund Naturschutz in München ausgerichtet wurde, werden die Europäische Kommission sowie die Regierungen der europäischen Länder zu einer verkehrspolitischen Wende aufgefordert. Dies beinhaltet:


  • eine eindeutige Priorität für die Vermeidung des Verkehrs,

  • größte Anstrengungen zur Verlagerung auf die Schiene und öffentliche Verkehrsmittel,

  • die Umsetzung der Kostenwahrheit für alle Verkehrsträger,

  • eine wirkungsvolle europaweite Schwerverkehrsabgabe nach dem Vorbild der Schweiz

  • ein europaweites Nachtfahrverbot für LKW in sensiblen Gebieten sowie keine Aufweichung der Sonntags- und Feiertagsfahreinschränkungen



Güterverkehr auf Kosten der Steuerzahler

Was sich heute auf unseren Straßen an Güterverkehr abspielt, deckt bei volkswirtschaftlicher Betrachtung die verursachten Kosten nicht im entferntesten. Die Allgemeinheit muss die Kosten und Schäden in kaum vorstellbarer Höhe tragen: hierzu zählen z.B. Straßen-Unterhalt, Bau zusätzlicher Autobahnspuren aber auch die negativen Umwelt-Effekte wie Lärm, Luftverschmutzung oder Klimaschäden. Gemessen am Gesamtumfang der verursachten Belastungen sind LkW-Transporte "zu billig". Die angesehenen wissenschaftlichen Institute INFRAS/IWW (Zürich/Karlsruhe) haben die Summe dieser externen Lasten ausgerechnet und allein für Deutschland mit jährlich 30 Milliarden Euro beziffert. Auf jeden transportierten Tonnenkilometer auf der Straße entfallen durchschnittlich 10 Cent externe Kosten, bei der Güterbahn sind es nur 2,5 Cent. Durch eine Verlagerung auf die Schiene können die volkswirtschaftlichen Milliarden-Schäden spürbar vermindert werden. Nötig sind zudem ökologisch und sozial faire Transportpreise für den Bahn- und Straßengüterverkehr.

Mit Schuld an der verheerenden Situation im Speditionsgewerbe ist nach Ansicht des Bund Naturschutz die alte Bundesregierung und die EU, da der Güterverkehr europaweit liberalisiert wurde, ohne dass Regelungen zum Schutz kleiner und mittelständischer Unternehmen eingeführt wurden. Mit immer niedrigeren Preisen haben die Spediteure auf die Konkurrenz und den Druck der Wirtschaft reagiert. Wie im Schiffsverkehr werden immer mehr LKW "ausgeflaggt" und fahren im Auftrag von Briefkastenfirmen in Luxemburg oder Bulgarien.

Äußerst positiv wird daher der Beschluss zur Einführung einer LKW-Maut von durchschnittlich 15 Cent pro gefahrenem LKW-Kilometer in Deutschland ab dem Jahr 2003 bewertet.

Der derzeit unfaire Wettbewerb auf Kosten von Fahrern und Umwelt wird an einer Beispielsrechnung für eine Transitfahrt quer durch Bayern deutlich. Einem Dumpingangebot von 0,75 Euro je Frachtkilometer steht ein Angebot von 1,5 Euro gegenüber. Normalerweise betragen die Personalkosten ca. 40 Prozent der Gesamtkosten.

Bayerische Transitfahrt von Kiefersfelden/Kufstein nach Aschaffenburg
(Streckenlänge: 440 km)
Dumpingangebot faires Angebot
Gesamtkosten: 330 Euro 660 Euro
Dieselkosten (35 l/100km) 261 Euro 131 Euro
Übrige Fahrzeugkosten, "-" Euro 265 Euro
Abschreibungen, etc.
Personalkosten "-" Euro 264 Euro


Gerade noch 69 Euro bleiben dem Billigkonkurrent bei Abzug des Spritpreises für alle übrigen Kosten. Dies zeigt, dass ein Dumpinganbieter nur durch Hungerlöhne für das Fahrpersonal und einer geringeren Kalkulation der allgemeinen Fahrzeugkosten seine Kampfpreise anbieten kann.

Mit der Einführung einer europaweiten LKW-Maut, dem weiteren Abbau der Wettbewerbsverzerrungen und überfälligen logistischen Verbesserungen im System Schiene kann auch die Bahn zur Lösung der Verkehrsprobleme beitragen.

gez.
Richard Mergner
Vorstandsmitglied ITE
Verkehrsreferent Bund Naturschutz in Bayern