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Fichtelgebirgsautobahn: Nein zur Asphaltschneise

Bizarre Felsengebilde und dichte Wälder, kleine Bäche und Moore, das ist das Fichtelgebirge. Um ein Haar hätten sich Bagger durch die Landschaft im Nordosten Bayerns gewühlt und gewaltige Maschinen einen Tunnel durch das Waldsteinmassiv getrieben. Nach Jahrzehnten der Auseinandersetzungen konnten der BUND Naturschutz und seine Verbündeten den Bau der so genannten Fichtelgebirgsautobahn verhindern und das Waldgebirge retten.

Die Autobahn hat die Menschen in Oberfranken bewegt wie kaum ein anderes Thema. Seit die Pläne für eine Ost-West-Trasse durch das Mittelgebirge bekannt wurden, regte sich der Widerstand. Unter der Bezeichnung „B303 neu“ hätte sich eine Asphaltschneise mit dem Querschnitt einer Autobahn durch die Landschaft gezogen; 40 Kilometer lang, von Schirnding an der Grenze zu Tschechien bis zur A9. Der BUND Naturschutz warnte eindringlich vor den Folgen für Mensch und Natur, Landwirte fürchteten um ihre Existenz und die Bevölkerung um ihre Lebensqualität. Immer wieder verschwand das Projekt aus Asphalt und Beton in der Versenkung, genauso oft wurde es wieder hervorgezaubert.

Der BUND Naturschutz (BN) blieb wachsam, prüfte die Verkehrszahlen der Regierung, stritt sich mit Politikern und musste auch interne Auseinandersetzungen ausstehen. Doch der Kampf hat sich gelohnt. 2009 verkündete der bayerische Innenminister das Aus für das Infrastrukturprojekt. Der BN und eine sehr aktive Bürgerinitiative haben die Straßenbaumeister in die Knie gezwungen. Ein Sieg, nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für die Menschen im Fichtelgebirge und für ihre Heimat.

Fichtelgebirge: Drehscheibe des Artenschutzes

Ausgedehnte Waldflächen, Felslandschaften, Moore und feuchte Wiesen – das Fichtelgebirge bietet eine faszinierende landschaftliche Vielfalt. Heute ist das Mittelgebirge im Herzen Europas ein wichtiger Rückzugsort und gleichzeitig Ausbreitungskorridor für viele seltene Arten.

Wie ein riesiges, nach Osten geöffnetes Hufeisen liegt die Bergkette des Fichtelgebirges im Nordosten Bayerns. Mit über 1.000 Metern sind Schneeberg und Ochsenkopf die höchsten Berge. Sie bilden das Hohe Fichtelgebirge, das fast vollständig bewaldet ist. Im Inneren des Hufeisens erstreckt sich die Selb-Wunsiedler Hochfläche: eine Kulturlandschaft mit ausgedehnten Wiesen, Bachläufen und Ackerland. Urtümliche Felsengebilde zieren die Gipfel des Mittelgebirges, das auch als die „steinreichste Ecke Bayerns“ gilt. Hier findet man Schiefergesteine, Gneis, Basalt, Speckstein, Marmor und sogar Kristalle. Hauptsächlich aber ist es der Granit, der die Landschaft formt. Wegen der vielfältigen Geologie kommen im Fichtelgebirge sehr unterschiedliche Waldarten vor: natürliche Fichtenwälder in den Hochlagen und Mischwälder in den Hanglagen.

Vier große Flüsse entspringen hier, weshalb man das Fichtelgebirge früher auch „Nabel Deutschlands“ nannte. In verschiedene Himmelsrichtungen fließen Main, Eger, Naab und Saale. Aufgrund seiner Hufeisenform und unterschiedlicher Klimaeinflüsse bietet das Fichtelgebirge Lebensräume für unterschiedlichste Tier- und Pflanzenarten. In den Blockmeeren der Gipfel Platte, Kösseine und Schneeberg finden sich so genannte Eiszeitrelikte. Vor allem Spinnen und Laufkäfer konnten dank des besonderen Mikroklimas zwischen den Felsen überleben. Einen besonderen Lebensraum stellen auch die Moore dar. In den nährstoffarmen Moorböden wachsen der fleischfressende Sonnentau, Wollgras, Moorspirken und Krähenbeeren. Die einzige heimische Giftschlange, die Kreuzotter, lebt hier ebenso wie unzählige Libellenarten oder Auerhühner. Neben der Artenvielfalt zeichnet die Moore noch eine andere Eigenschaft aus: Sie gehören zu den effektivsten Kohlendioxidspeichern und leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Heimat bedrohter Arten

Das Fichtelgebirge bildet einen Gebirgsknoten zwischen der Fränkischen Schweiz, dem Frankenwald, dem Oberpfälzer Wald sowie dem Erzgebirge. Die Landschaft im Zentrum Europas übernimmt damit eine wichtige Brückenfunktion: Das Fichtelgebirge ist Wander-, Ausbreitungsachse und Rückzugsort für eine Vielzahl seltener Arten. Wildkatze, Schwarzstorch und Rothirsch sind hier ebenso zu finden wie Uhu und Sperlingskauz. Und auch der Luchs ist in den vergangenen Jahren wieder gesichtet worden.

An und in den Gewässern tummeln sich unter anderem Eisvogel, Wasseramsel und Biber. In den sauberen Bächen konnte die Flussperlmuschel überleben, in ihrem Umfeld gibt es Feuersalamander. Weißstörche und Schwarzstörche finden in den Feuchtwiesen genug Nahrung, um ihre Brut zu versorgen. Und in den für das Fichtelgebirge typischen Felsenkellern haben verschiedene Fledermausarten eine frostsichere Bleibe. 

Dorado für Wanderer

Über 1.200 Kilometer Hauptwanderwege durchziehen die Landschaft wie ein Netz, dazu kommen nochmal unzählige Nebenwege und örtliche Verbindungen. Ein Dorado für Menschen, die Erholung suchen. Einheimische und Touristen schätzen die stillen Täler und Hochmoore, Quellen, kleinen Seen und die felsigen Gipfel.

Im Fichtelgebirge entstand auch der älteste bürgerliche Landschaftsgarten Europas: das Felsenlabyrinth auf der Luisenburg bei Wunsiedel. Ein Rundweg zwischen den Felsen führt vorbei an über 300 Millionen Jahre alten Granitsteinformationen und zeigt die Besonderheiten dieser einzigartigen Landschaft, die dank dem Engagement vieler Menschen vor der Zerstörung bewahrt wurde. 


Drei Jahrzehnte Kampf ums Fichtelgebirge

Rund drei Jahrzehnte währte der Kampf gegen eine neue, vierspurige Straßenschneise durch das Fichtelgebirge. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative und vielen Verbündeten wehrte sich der BUND Naturschutz gegen das Mammutprojekt, das vier Millionen Quadratmeter Naturlandschaft zerstört hätte. Unzählige Protestaktionen und gute Argumente brachten die Verkehrsplaner zum Umdenken. 

Die ersten Planungen für eine West-Ost-Trasse durch das Fichtelgebirge reichen bis in die 1970er-Jahre zurück. Damals machte sich der bayerische Innenminister Alfred Seidel für die Fortführung der Maintalautobahn A70 stark. Die Planungen sahen eine Schnellstraße von Gefrees bis zum Grenzübergang Schirnding vor, quer durch den Natur- und Erholungsraum Fichtelgebirge. „Die Trasse stellt einen vertretbaren Kompromiss zwischen den Interessen der Landwirtschaft und des Naturschutzes dar“, erklärte Seidel 1978 bei einer Versammlung des Verkehrsverbandes für Nordostbayern.

Eine ganz andere Auffassung vertrat schon damals der BUND Naturschutz. Gemeinsam mit dem Bayerischen Bauernverband (BBV) verabschiedete die BN-Kreisgruppe Wunsiedel mit ihrem Vorsitzenden Albrecht Schläger eine erste Resolution gegen die Autobahn nach Schirnding. Auch die Kreisgruppen in Bayreuth und Hof protestierten von Anfang an mit vielfältigen Aktionen gegen die Zerschneidung der Landschaft. Unterstützt wurden die Aktiven vom BN-Landesverband mit Pressefahrten und jährlichen Demos. 300 Teilnehmer kamen 1979 zu einer Protestveranstaltung nach Röslau, darunter Hubert Weiger, damals Naturschutzbeauftragter des BN für Nordbayern. „Eine Verschwendung von Steuergeldern und Natur“, nannte er das Vorhaben, betonte aber, dass gegen einen Ausbau bestehender Straßen nichts einzuwenden sei. 

Mahnfeuer gegen die Trasse

Ein Raumordnungsverfahren aus dem Jahr 1982 sah keine Autobahn durch das Fichtelgebirge mehr vor. Der Bedarfsplan für Bundesfernstraßen forderte nun lediglich eine „Bundesstraße 303 neu“, und zwar in der Dringlichkeitsstufe II, sodass mit einer Realisierung nicht vor dem Jahr 2005 zu rechnen war. Doch der BN warnte: „Die Planungen lassen den Verdacht aufkommen, dass doch irgendwann eine Autobahn entstehen soll“, sagte Albrecht Schläger. Und Hubert Weiger forderte abermals, die bestehende B303 bedarfsgerecht auszubauen, lehnte aber eine neue Trasse kompromisslos ab. Um die Bevölkerung für die „Autobahn durch die Hintertür“ zu sensibilisieren organisierte die BN-Kreisgruppe Wunsiedel unter anderem Mahnfeuer entlang der geplanten Trasse.

„Ein Plan zum Bau einer ,Fichtelgebirgsautobahn' existiert nicht“, ließ daraufhin im Frühjahr 1988 die  Autobahndirektion Nordbayern verlauten. Auch eine „B303 neu“, die sich an der Staatsstraße 2180 von Gefrees über Weißenstadt und Röslau nach Schirnding orientiere, werde nicht vor dem Jahr 2000 zur Debatte stehen. Die BN-Kreisgruppe Wunsiedel hätte die Diskussion um die B303 neu längst ad acta gelegt, sagte ihr Vorsitzender Albrecht Schläger. „Wenn sie uns nicht von einigen ökologischen Geisterfahrern wieder aufgezwungen worden wäre.“ Überhaupt sei diese Trasse eine „Unvernunft aus Asphalt und Beton“.

Salamitaktik mit Ortsumgehungen

1990, der Eiserne Vorhang war mittlerweile gefallen, hoffte die Politik mit dem Argument des zunehmenden Ost-West-Verkehrs die Trasse wieder ins Gespräch bringen zu können. Dabei gingen die Planer relativ behutsam vor und schlugen zunächst nur Ortsumgehungen, etwa bei Weißenstadt vor. Der BUND Naturschutz reagierte prompt: Die geplante Südumgehung der Stadt stehe in einem engen Zusammenhang mit der „B303 neu“. Karl Paulus, BN-Kreisgeschäftsführer im Landkreis Wunsiedel, erkannte die im Straßenbau bekannte Salamitaktik. Durch den Bau von Ortsumgehungen würden Fakten geschaffen. Die Lücken dazwischen sollten dann durch eine neue Straße verbunden werden. Gleichzeitig kündigte Hubert Weiger juristische Schritte gegen die Planfeststellung an und präsentierte einen weiteren Trumpf: Der BN hatte ein Sperrgrundstück auf der geplanten Trasse gekauft. „Wir werden unsere Eigentumsrechte ausfechten“, betonte er. 

In der Zwischenzeit wurde die „Fichtelgebirgsautobahn“ mehr und mehr zum Politikum im Landkreis Wunsiedel. Der Kreisrat befasste sich mehrmals mit dem Thema, ohne jedoch zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Gleichzeitig waren Mitte der 1990er-Jahre sowohl das bayerische Innenministerium als auch das Straßenbauamt in Bayreuth zu dem Schluss gekommen, dass die bestehende B303 in weiten Teilen eher unterdurchschnittlich belastet ist. Zudem wurde gerade die A93 von Regensburg nach Hof gebaut, die den aus Osten kommenden Verkehr ableitete. Dennoch wurde die CSU im Kreistag nicht müde, die Aufnahme der „B303 neu“ in den Bundesverkehrswegeplan zu fordern, während die SPD an Staats- und Bundesregierung appellierte, die bestehende B303 vierspurig auszubauen. Das Straßenbauamt kündigte ein verkehrswirtschaftliches Gutachten an.

Riss durch die Naturschützer

Mitte des Jahres 2000 trat Albrecht Schläger, zu diesem Zeitpunkt BN-Kreisvorsitzender im Landkreis Wunsiedel und verkehrspolitischer Sprecher der SPD im bayerischen Landtag, abermals für einen Ausbau der bestehenden B303 ein. Im gleichen Jahr präsentierte die Regierung von Oberfranken ein Gutachten von Dorsch Consult aus München, das für weitere Planungen der Trasse zwei Korridore durch das Fichtelgebirge vorschlug. Kurz darauf vollzog der BN-Kreisvorsitzende Albrecht Schläger eine Kehrtwende: Er sprach sich nun für den Bau einer „leistungsfähigen Ost-West-Verbindung“ aus.

Es folgte ein offener Schlagabtausch zwischen Schläger und dem BN-Vorsitzenden Hubert Weinzierl. Die von Schläger und dem Wunsiedler Landrat Peter Seißer propagierten steigenden Verkehrszahlen, welche die neue Trasse begründen sollten, konnte der BN zweifelsfrei widerlegen. Die BN-Mitglieder gingen mit ihrem Kreisvorsitzenden Schläger anschließend hart ins Gericht: Die Hauptversammlung der BN-Kreisgruppe entzog ihm nach 27 Jahren das Vertrauen und wählte im Januar 2001 Fred Terporten-Löhner in einer Kampfabstimmung zum neuen Vorsitzenden. 

Unterschriften gegen die Autobahn

Im Herbst 2000 gründete sich die Bürgerinitiative gegen eine Fichtelgebirgsautobahn (BI). Mit ihren Wortführern Sandra Krause und Fred Leidenberger wurde sie zum wichtigsten Verbündeten des BN. Gleichzeitig erhielten BN und BI weitere Unterstützung: Die Gemeinde Höchstädt mit Bürgermeister Rudolf Reichel positionierte sich nun gegen den Bau der Autobahn. Viele seiner Kollegen dachten zu diesem Zeitpunkt allerdings anders. 15 von 17 Bürgermeistern im Landkreis warben in einer Resolution an Bundeskanzler Gerhard Schröder für den Bau einer „leistungsfähigen vierspurigen Ost-West-Verbindung“.

Sie hatten ihre Rechnung jedoch ohne die Bürger und vor allem die Landwirte gemacht. „Unser Brot wächst nicht auf der Autobahn“, skandierten die Bauern, und am 1. Mai 2001 fanden sich 500 Autobahngegner erstmals zu auf dem Waldstein ein. Die Mai-Demonstrationen sollten unter dem Motto „Brennpunkt Waldstein“ zu einer Tradition werden. Die BI hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 14.000 Unterschriften gegen den Autobahnbau gesammelt – bis 2009 sollten es 30.000 werden.

Zur gleichen Zeit betrieb die „Initiative Zukunft Fichtelgebirge“ (IZF) Lobbyarbeit für die Autobahn. Mit den beiden ehemaligen Landtagsabgeordneten Willi Müller (CSU) und Albrecht Schläger (SPD) an der Spitze warb sie für die Trasse. Eines ihrer Argumente: Wer Fremdenverkehr will, muss Zufahrtsstraßen schaffen. Im Juni 2007 konterte der BN mit einem von ihm in Auftrag gegebenen Gutachten. Dieses kam zu einem klaren Ergebnis: Die Fichtelgebirgsautobahn ist überflüssig und die B303 in der Lage, den Ost-West-Verkehr aufzunehmen. Das Gutachten zeigte außerdem, dass ein Großteil des Verkehrs aus dem Landkreis stammte, und nicht, wie von den Befürwortern vorgebracht, überregionaler Ost-West-Verkehr war.

Proteste mit verhülltem Waldsteingipfel

Während 1.300 Menschen auf dem Waldstein gegen die Fichtelgebirgsautobahn protestierten, verkündete das Staatliche Bauamt in Bayreuth im Mai 2007 den Bau der „B303 neu“. Nach einer Raumempfindlichkeitsanalyse blieben drei mögliche Korridore übrig, bis 2009 sollte Planungssicherheit herrschen. Allerdings regte sich nun auch in den Gemeinden entlang der angedachten Trassen Widerstand. Waren es zunächst die Bürgermeister von Höchstädt, Weißenstadt und Röslau, die sich gegen die Planungen aussprachen, wuchs die Allianz binnen eines Monats um weitere vier Städte und Gemeinden. Gleichzeitig rief die BI zu Kundgebungen auf, Landwirte demonstrierten mit ihren Traktoren, Autobahngegner machten die Ausmaße der geplanten Trassen in der Landschaft deutlich und die BN-Kreisgruppe Wunsiedel verhüllte die „Schüssel“ genannte Aussichtswarte auf dem Waldstein. 

Das Ausmaß der Proteste machte Eindruck auf die Verantwortlichen und endlich beerdigte die Staatsregierung die Trassenpläne: Am 31. Januar 2009 verkündete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann das Aus für die Fichtelgebirgsautobahn. Als Gründe nannte er den abnehmenden Verkehr auf der B303 und die Umweltverträglichkeitsprüfung. Demnach wiesen alle untersuchten Trassen „extrem hohe Raumwiderstände“ auf und es wären lange Tunnel und Brücken notwendig gewesen. Er kündigte an, stattdessen die bestehende B303 auszubauen. Das Ziel von BN und BI war erreicht, doch es heißt weiter wachsam bleiben: Immer noch fordert die „Initiative Zukunft Fichtelgebirge“ (IZF) eine „Verbesserung der Straßenanbindung von Schirnding in Richtung Westen zur A9“.