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Wintersport-Gesamtkonzept gefordert

Bund Naturschutz fordert Gesamt-Konzept für bayerischen Wintersport statt Aufweichung von Genehmigungsgrundsätzen

22.07.2005

Bereits im Herbst 2004 hat der bayerische Landtag eine Aufweichung der Genehmigungsgrundsätze für Schneekanonen beschlossen. Noch liegt die Überarbeitung nicht vor, aber die Eckpunkte sind bekannt. Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) hat sich daher nun an das bayerische Wirtschaftsministerium sowie an das Umweltministerium gewandt und ein umfassendes Gesamt-Konzept gefordert. „Die Flucht in leichtere Genehmigungen für Kunstschnee ist eine äußerst kurzsichtige und nur scheinbare Lösung für die Probleme der Klimaerwärmung.“ kritisiert Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN den Beschluss des bayerischen Landtages. Zudem sei der Beschluss auf der Basis eines angeblichen Gutachtens gefallen, das aber inhaltlich die neuesten Studien aus der Schweiz zu den Auswirkungen der künstlichen Beschneiung völlig außer acht lasse. Der Staat, der mit gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Natur beizutragen hat, beugt sich nach Ansicht des BN dem Druck der Seilbahn- und Skigebietsbetreiber, wenn die wesentlichen ökologischen Auflagen außer Kraft gesetzt werden. Der Konkurrenz der österreichischen großen Skigebiete wird man auch mit bayerischen Schneekanonen nicht trotzen können. „Eine echte Lösung für den bayerischen Wintersport kann nur in einem Gesamt-Konzept liegen, das die Auswirkungen des Klimawandels auf den bayerischen Wintersport regional betrachtet und die Verlierer im Skisport zu Gewinnern durch Stärkung regionalen Natur-Tourismus macht.“ fordert Werner Fees, stellv. Sprecher des BN AK Alpen. Die Qualitäten der bayerischen Alpenorte liegen auf anderen Gebieten als dem alpinen Skisport und müssen weiterentwickelt werden.

Näheres bitten wir Sie, dem beiliegendem Brief des BN an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 13.07.2005 zu entnehmen.

Für nähere Information:
Dr. Christine Margraf, Leiterin Fachabteilung München. Tel.: 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de



Anlage: Brief des BN an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 13.07.2005.



An das
Bayerische Staatsministerium für
Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie

80525 München



Unser Zeichen FZ-SK/recht
vom13.07.2005


Überarbeitung der Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung in Bayern;

hier: Forderung nach Aussetzen der Überarbeitung und Vorlage eines Gesamtkonzeptes für den bayerischen Wintersport


Sehr geehrte Damen und Herren,

nach den im bayerischen Landtag am 30.11.2004 beschlossenen Vorgaben werden derzeit die Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung in Bayern überarbeitet. Die Bitte des Bundes Naturschutz um Beteiligung an der Überarbeitung wurde vom Umweltministerium leider bereits abgelehnt. Da die Überarbeitung unseres Wissen in Abstimmung zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium erfolgt, bitten wir Sie zum einen um Mitteilung des aktuellen Standes der Überarbeitung.

Zum anderen würden wir uns sehr freuen, wenn Sie die im folgenden angeführten Positionen des Bundes Naturschutz berücksichtigen und uns Ihre Auffassung hierzu mitteilen.

Der BN kritisiert seit Jahren den zunehmenden Einsatz von Kunstschnee gerade in Bayern, nicht nur aus naturschutzfachlicher Sicht, sondern auch weil diese Investitionen angesichts der Klimaveränderung und immer höherer Verschuldungen von Gemeinden klare Fehlinvestitionen sind. In diesem Zusammenhang hat der BN auch bereits seit Jahren die Genehmigungspraxis kritisiert, insbesondere die zunehmende Nicht-Beachtung der bestehenden Genehmigungsgrundsätze, des „Bergwaldbeschlusses“ von 1984 und die unzureichende Anwendung der UVP-RL (zu hohe Grenzwerte in Bayern). Wir haben uns mit der Forderung nach einem Gesamtkonzept für den bayerischen Wintersport 2001 in Form einer Petition an den bayerischen Landtag gewandt, leider ist bis heute kein derartiges Konzept für den bayerischen Wintersport erarbeitet und erkennbar.


1. Fakten zur Entscheidung über die Genehmigungsgrundsätze:

Umso bedauerlicher ist es, dass nun gerade auch die Genehmigungsgrundsätze gelockert werden sollen. Entgegen der Aussage im Bayerischen Landtag, dass „Aus zehnjähriger Praxis“ nun bekannt sei, „dass die Vegetation und die Artenvielfalt durch Kunstschneeauflagen keinen Schaden nehmen.“ (Plenarprotokoll 15/28 des Bayerischen Landtages), liegen keinerlei neuen Fakten vor, die dies rechtfertige. Die im Landtag zitierten Aussagen waren nur eine „zusammenfassende gutachterliche Darstellung der dem LfU bekannten Fakten“.

(Schreiben StMUGV an BN vom 22.02.05). Noch im Jahr 2002 hatte sich der bayerische Landtag für die Beibehaltung der Kriterien für die Genehmigung von Beschneiungsanlagen ausgesprochen. Als neue Erkenntnis ist seitdem lediglich die Einbeziehung der 2004 abgeschlossenen Skipistenuntersuchung zu bezeichnen. Dagegen sind offensichtlich tatsächlich neue Erkenntnisse nicht in die Bewertung eingeflossen. Wir weisen hier nur exemplarisch auf ganz neue Veröffentlichungen in Zusammenhang mit einem dreijährigen Forschungsprojekt am Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF zur Dokumentation der Auswirkungen der Kunstschneedecke hin (April 2005). Hier wurden starke Auswirkungen von Pistenbetrieb und Kunstschneeeinsatz auf die Diversität und die Produktivität der Arten festgestellt, unter anderem:

- Die Schneedecke auf Kunstschneepisten ist mächtiger und wasserreicher. Das Kunstschnee-Schmelzwasser enthält deutlich mehr Mineralien und Nährstoffe als das natürliche Schmelzwasser. Als Folge davon nehmen Zeigerarten für höhere Nährstoff- und Wasserversorgung auf Kunstschneepisten zu.

- Da der Kunstschnee ca. zwei bis drei Wochen länger liegen bleibt, verzögert sich das Pflanzenwachstum. Als Folge kamen Pflanzen, die typischerweise an Orten mit sehr später Ausaperung wachsen (sogen. Schneetälchenarten), häufiger vor.


- Grundsätzlich war auf allen Pisten – sowohl Naturschnee- wie Kunstschneepisten – die Diversität an Arten und Produktivität im Vergleich zu ungestörten Kontrollflächen verringert (SLF Davos, 2002 - www.wsl.ch/slf/lebensraum-alpen/kunstschnee-umwelt-de.htm).

- Nur auf landwirtschaftlich genutztem und gedüngtem Grünland in tiefen Lagen wirkt sich die künstliche Beschneiung wenig auf die vorhandene Vegetation aus.

Für alle Bereiche muß mit Beeinträchtigungen bzw. dauerhafter Schädigung gerechnet werden, insbesondere in Hochlagen über der Baumgrenze. Mit zunehmender Höhe nimmt die „Toleranz“ der Pflanzengesellschaften gegenüber baulichen und betrieblichen Beeinträchtigungen ab. Bekanntlich sind die Rekultivierungszeiträume bei alpinen Pflanzengesellschaften äußerst lange, sofern eine Wiederherstellung überhaupt möglich ist. Deshalb sind die Folgen von Baumaßnahmen und künstlicher Beschneiung gerade in den empfindlichen, höheren Lagen sehr kritisch zu bewerten.

Auch das LfU selbst benennt in der Ausschuss-Sitzung für Umwelt und Verbraucherschutz am 29.09.2004 „baubedingte und betriebsbedingte Auswirkungen“ durch den „Einsatz von Beschneiungsanlagen in Bayern“ wie „Beschädigung an Boden, Vegetationsdecke und Gehölzen“, „Verstärkter Oberflächenabfluss mit entsprechender Erosionsgefahr“ sowie betriebsbedingte „Beeinträchtigung von Bodenfauna und Vegetation durch lange Schneebedeckung und Düngeeffekte“. Dazuzuzählen sind auch die flächenintensiven negativen Auswirkungen der häufig mit der Beschneiung verbundenen Speicherteiche.
Es fällt auf, dass den Vorschlägen des LfU nur dort gefolgt wurde, wo es Entwarnung gab. Aufgezeigte Probleme und dargelegter Forschungsbedarf wurden übergangen.


Diese Fakten würden in Verbindung mit der Klimaveränderung tatsächlich eine Verschärfung der Genehmigungsgrundsätze nahe legen.

Die Wettbewerbssituation bayerischer Tourismusgebiete mit anderen Alpenländern wird sich aufgrund des Klimawandels eher verschlechtern. Mit dem Anstieg der Temperaturen steigt auch die Schneegrenze und die Schnee-(Un)Sicherheit in den Wintermonaten. Gelten heute noch Berghöhen ab 1200 Meter als schneesicher, könnte diese Grenze in absehbarer Zeit auf 1500 bis 1800 Meter ansteigen. (Bürki, 2000, nennt für den Zeitraum 2030 bis 2050 Skigebiete oberhalb 1600 bis 2000 m als schneesicher, s. auch: Latif, 2004 und Seiler, 2004, CIPRA 2004). Angesichts dieser Entwicklung werden gigantische Investionen in die bayerischen Skigebiete, die auch durch die künstliche Beschneiung bedingt sind (4-5 €/m³), immer fragwürdiger. Bereits jetzt rechnen sich einige Skigebiete nicht mehr (z.B. Jennerbahn: „Die Abschreibungen für die Beschneiungsanlagen belasten das Ergebnis“, Berchtesgadener Anzeiger Nr.34, 19./20.2.2005). „Die Klimaänderung verstärkt deshalb die Gefahr, dass der notwendige Strukturwandel der Seilbahnbranche in ruinöser Konkurrenz endet.“ (Bürki, 2000). Sogar die ‚Compagnie des Alpes’ (CDA) – größter Skigebietsbetreiber der Welt - investiert nur noch in Skigebiete mit garantierter natürlicher Schneesicherheit – aufgrund der Klimaszenarien. Nach Meinung der CDA erfüllen nur ca. 80 Skigebiete in Europa diese Vorraussetzungen (CIPRA, 2001).
Bei der Diskussion um die Beschneiung und den Wintersport wird zudem völlig vernachlässigt, dass der Tourismus in den bayerischen Alpen ein Ganzjahrestourismus mit Schwerpunkt auf dem Sommer ist. Besonders deutlich wird das am Beispiel von Garmisch-Partenkirchen, einem Ort, der nach landläufiger Meinung ein Wintersportort ist. Aber gerade in Garmisch-Partenkirchen kommen deutlich mehr Gäste im Sommer, als im Winter. Und im Winter kommen nur zehn Prozent der Gäste mit Skiern – d.h. für nur vier Prozent der Gesamtgäste werden ungeheure Summen in Winterinfrastrukturen gesteckt, die dem Ort sicher weniger bringen als erhofft. Denn das Landschaftsbild wird durch die Veränderungen, die die massiven Ausbauten und Infrastrukturen mit sich bringen, stark beeinträchtigt. Das beeinträchtigt auch den Sommertourismus. So rentiert sich die Hausbergbahn im Classic-Skigebiet von Garmisch-Partenkirchen, deren Einzugsgebiet am meisten durch Skiinfrastrukturen belastet ist, im Sommer nicht mehr und ist geschlossen. Hier werden die Voraussagen wahr, dass nur eine intakte Umwelt dauerhafte Grundlage für den Sommertourismus ist. Das Gleiche gilt noch mehr für andere Orte, denen das „Winterimage“ fehlt, z.B. Oberammergau.


2. Die geplante Änderung der Genehmigungsgrundsätze

Von den geplanten Änderungen werden von uns insbesondere folgende Punkte abgelehnt:

- Wegfall der zeitlichen Beschränkung des Schneekanoneneinsatzes,

- Verzicht auf die Befristung der Anlagengenehmigung

- flexiblere und nur an die tatsächlichen ökologischen Auswirkungen der jeweiligen Beschneiungsanlagen angepasste Genehmigungspraxis"

- Aufhebung bisher für die Beschneiung ungeeigneter Flächen z.B.:

- ökologisch besonders wertvolle Flächen i. S. des Art. 13 d Abs. 1 des BayNatSchG,
- Schwerpunktgebiete störempfindlicher Tierarten,
- Bereiche mit lückiger Vegetation,
- erosionsgefährdete und vernäßte Bereiche,
- sowie Gebiete oberhalb der Baumgrenze.

- Verzicht auf die Größenbegrenzung der beschneiten Fläche.

- Verzicht auf die Verpflichtungen, Erdarbeiten so schonend wie möglich und bauliche Maßnahmen außerhalb der Brut- und Setzzeiten von störempfindlichen Tieren durchzuführen.

- Lockerung der Anforderungen an die ausschließliche Verwendung von biologisch und ökotoxikologisch unbedenklichem Wasser.

- Streichung der Auflage, künstlichen Schnee nur bei Außentemperaturen unter minus drei Grad Celsius herzustellen. Das legt die Vermutung nahe, den – bisher noch untersagten - Einsatz von künstlichen Zusätzen vorzubereiten.

- Streichung des Passus, der den Betrieb von Anlageteilen oder Vorrichtungen regelt, die außerhalb von Gebäuden Lärm verursachen. Der Betrieb war von 22:00 bis 5:00 zu unterlassen, wenn damit eine Lärmbelästigung der Nachbarschaft und der Tierwelt verbunden war. Vielen Bewohnern in den Gebirgsorten ist heute sicher noch nicht bewusst, welche Lärmbelästigung Schneekanonen in der Nacht mit sich bringen können.

- Wegfall von begleitenden ökologischen Beobachtungen, ebenso der Möglichkeit, bei negativen Auswirkungen nachträglich noch Auflagen einzubringen.

Statt verbindlich geregelter Vorgaben soll künftig die Bewertung des „Einzelfalls“ erfolgen – doch woran wird dieser Einzelfall ohne die verbindliche Rahmenbedingungen gemessen " Uns erscheint dies eher wie ein Freibrief für die künftige Genehmigung künstlicher Beschneiung nach dem Gusto der Betreiber und Kommunen.


3. Forderungen des BN

Fasst man Für und Wider zusammen, kann man feststellen, dass der Bayerische Landtag mit seiner Lockerung der Grundsätze für Beschneiungsanlagen sicher den falschen Weg gegangen ist. Durch diesen Beschluss werden viele Orte in den bayerischen Alpen dazu verleitet, Investitionen im Außenbereich zu tätigen, die dauerhaft nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern in Teilbereichen auch noch das empfindliche ökologische Gleichgewicht schädigen werden. Das Geld für sinnvolle und nachhaltige Tourismus-Projekte fehlt bereits und Rücklagen für die Rekultivierung und ggf. zum Rückbau der Anlagen werden nicht gebildet.

Der Staat, der mit gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Natur beizutragen hat, beugt sich dem Druck der Seilbahn- und Skigebietsbetreiber. Er setzt die wesentlichen ökologischen Auflagen außer Kraft und bewilligt eine Förderung über EU-Gelder und die Kofinanzierung aus kommunalen oder staatlichen Mitteln. Der Konkurrenz der österreichischen großen Skigebiete wird man auch mit bayerischen Schneekanonen nicht trotzen können. Die Qualitäten der bayerischen Alpenorte liegen auf anderen Gebieten und sollten weiterentwickelt werden. Mit Schneekanonen wird ihr Image eher geschädigt.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) fordert daher eine erneute Diskussion im Bayerischen Landtag, bei der die Gesamt-Situation der bayerischen Skigebiete und ein nötiges Gesamt-Konzept für den Wintersport diskutiert wird, wie wir es bereits 2001 in den bayerischen Landtag eingebracht haben. Wir fordern, dass ohne Vorliegen dieses Gesamt-Konzeptes die Änderung der Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung nicht abgeschlossen wird.

Für eine Antwort über die mögliche Berücksichtigung unserer Positionen und Forderungen wären wir Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen,

Richard Mergner
Landesbeauftragter

Dr. Christine Margraf
Leiterin Fachabteilung München


Gleichlautendes Schreiben geht auch an das Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz