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Tiere und Pflanzen

Verlust von Lebensraum: Die Amphibien-Gefährdung nimmt zu

Die Lage ist ernst: Zehn der 19 heimischen Amphibienarten sind bedroht. Wälder und Äcker werden industriell genutzt, die Landschaften werden immer eintöniger, damit verschwinden die letzten Lebensräume von Fröschen, Kröten, Molchen und Salamandern. Zudem kreuzen immer mehr Straßen die Wanderwege zwischen Sommer- und Winterquartieren.

Nach Aussage der Zoologischen Gesellschaft in London könnte bis Mitte dieses Jahrhunderts die Hälfte der europäischen Frosch-, Kröten- und Molcharten ausgerottet sein. Deutschland stellt dabei leider keine Ausnahme dar: Etwa 50 Prozent der 20 in Deutschland lebenden Amphibienarten stehen aktuell auf der „Roten Liste der gefährdeten Arten“, in Bayern sind zehn von 19 Arten gefährdet. Besonders dramatische Rückgänge gab es in den letzten Jahren bei Gelbbauchunke, Kreuz- und Wechselkröte, der Geburtshelferkröte und in großen Landesteilen beim Laubfrosch. Auch einstmals häufige Arten wie der Teichmolch und der Grasfrosch mussten zuletzt auf die amtliche „Vorwarnliste“.

Die Gefährdung von Amphibien und ihr Verschwinden reißt ein empfindliches Loch in die natürliche Nahrungskette. Alle Lurche fressen Käfer, Spinnen, Würmer, sie sind aber auch wichtige Beutetiere für vielerlei Vögel, Reptilien und Säugetiere. So hat jede einzelne Art ihre Bedeutung im Ökosystem, ihr Aussterben bedeutet stets einen Verlust für unsere Heimat und Erlebniswelt.

Von Flächenverbrauch bis Ackergift: Amphibien-Gefährdung hat viele Ursachen

Gerade in den letzten Jahrzehnten haben wir alle Lebensraumbestandteile der Amphibien massiv zu deren Nachteil verändert! Die meisten Gefahren sind also bekannt – und in Konsequenz um so komplizierter:

Trockengelegte Feuchtgebiete, Straßenbau und Ackergifte – es ist nicht abschätzbar, welcher Faktor die größten Auswirkungen hat: Die Industrialisierung unserer Landschaft inklusive der Gewässerauen? Der großflächige Einsatz von Dünge- und Spritzmitteln? Oder doch die Zerschneidung unserer Landschaft durch Verkehrswege?

Die ursprünglichen Lebensräume unserer Lurche sind Flüsse, Auen und Bäche. Gerade in diese Refugien wurde jedoch in den letzten 50 Jahren so umfassend eingegriffen, dass viele Amphibienarten hier nur noch wenig passende Lebensräume finden können:

  • Laichgewässer wurden vernichtet oder verschmutzt und viele Hektar wertvoller Auenflächen durch Hochwasserdämme und Uferverbauung trockengelegt.
  • Feuchte Wiesen wurden drainiert, Hecken, Raine und Säume abgeholzt und in einheitliche Ackerwüsten umgewandelt.
  • Auch der fortschreitende Flächenverbrauch durch Wohn- und Gewerbegebiete sowie die Zerschneidung der Landschaft durch Siedlungen und Straßen erschweren den Lurchen das Überleben.
  • Gerade die besonders hoch bedrohten Amphibienarten Kreuzkröte, Gelbbauchunke und Laubfrosch brauchen aber strukturreiche Landschaften, sie brauchen Randstrukturen und Unordnung wie Raine oder Pfützen, wilde Hecken, Brachestreifen, Altgrasflächen oder gestufte Waldränder, die sich selbst entwickeln können.

Im Jahr 2019 waren die Zahlen besonders alarmierend: Amphibienhelferinnen und -helfer des BN zählten bei ihren Sammelaktionen 40 bis 60 Prozent weniger wandernde Tiere als üblich. Die Ursache ist unklar, vermutet wird, dass sich das trockene Jahr 2018 sehr negativ auf viele Amphibienpopulationen ausgewirkt hat.

Gefahren für Amphibien im Überblick

Das Wandern über Ackerwüsten ohne schützende Vegetation kann bei Amphibien zum Tod durch Austrocknen führen. Sie finden dort wenig zu fressen, sind aber leichte Beute. Chemische Insekten- und Wildkrautvernichtungsmittel wirken zudem auf Amphibien bereits in weitaus geringeren Konzentrationen tödlich als früher angenommen.

Von einer naturverträglichen Landwirtschaft würden hochbedrohte Arten wie Kreuzkröte und Knoblauchkröte aber auch die anderen Amphibienarten profitieren. Fahrspuren im Acker, Raine und Brachen sind Leitlinien, Nahrungsräume und Versteckplätze, wenig genutzte Grünwege und Hecken Rückzugsräume.

Viele der geschützten Arten Bayerns sind Kulturfolger: Zusammen mit den Menschen eroberten sie die entstandenen Offenlandflächen, wenn Wald gerodet wurde. Kleine Äcker, Grünwege, Windschutzhecken, Viehtriebwege – die Landschaft wurde früher nicht weniger intensiv, aber naturverträglicher genutzt. Heute leben wir in einer anderen Welt – und trotzdem muss es gelingen, eine moderne Landwirtschaft mit Artenvielfalt zu verbinden!

Aber auch die Wanderungen zu und von den Laichgewässern werden immer gefährlicher: Immer mehr Siedlungen und Gewerbegebiete zwingen die Amphibien zu lebensbedrohlichen Wanderungen durch Gärten oder über Parkplätze. Auf den Straßen sterben Tausende Frösche und Kröten.

In Bayern, einem der flächengrößten Bundesländer, gibt es nur 86 Flächen, die eine Größe von mehr als 100 Quadratkilometern ohne größere Straßen aufweisen! Die meisten dieser Flächen liegen auf nur 20 Prozent der Landesfläche (Alpen, Mittelgebirge an der östlichen Landesgrenze). Dies lässt erahnen, wie häufig unsere Amphibien auf gefährliche Straßen treffen. Grund genug für die Aktiven des BN, jedes Jahr Unmengen von Schutzzäunen an Bayerns Straßen aufzustellen und Amphibien heil über die Straße zu bringen. Sie retten so immerhin rund eine halbe Million Tiere während der jährlichen Amphibienwanderung vor dem Straßentod.

Weiterführende Informationen:

Esswein, Heide & Schwarz-v. Raumer, Hans-Georg (2006): Darstellung und Analyse der Landschaftszerschneidung in Bayern. Im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt.

Der Bund Naturschutz zum Flächenverbrauch und -schutz in Bayern.

Das Bayerische Landesamt für Umweltschutz zur Landschaftszerschneidung in Bayern.

Im Jahr 2017 wird Bayern von 2.500 km Bundesautobahnen, 5.900 km Bundesstraßen, 14.100 km Staatsstraßen und 19.000 km Kreisstraßen sowie ca. 100.000 km Gemeindeverbindungsstraßen durchzogen. Hinzu kommen noch ca. 6.000 km Bahnlinien, ausgebaute landwirtschaftliche Nutzwege, Forstwege und Radwege. Kein Wunder, dass Amphibien auf ihren jährlichen Wanderungen zu den Laichgewässern, in die Sommer- oder Winterquartiere immer häufiger auf Straßen treffen. Das Problem: Autos, Lastwagen oder auch Fahrräder gehören nicht zum Feindschema der Tiere. Bemerken sie die Gefahr, verharren sie, manche Kröten oder Frösche richten sich sogar auf. Viele Beobachtungen zeigen, dass die Tiere nicht nur durch das Überfahren werden getötet werden, sondern auch durch den Luftdruck.

In der Datenbank zu Amphibienquerungsstellen an Straßen sind zur Zeit rund 1400 Straßenabschnitte genannt, bei denen Amphibien regelmäßig zu Tode kommen. Rund ein Drittel wird durch ehrenamtliche Betreuer zumindest im Frühjahr gesichert, aber die Rückwanderung der Tiere und vor allem die Abwanderung der jungen Amphibien, der Hüpferlinge, bleiben unbetreut. Letzteres ist besonders dramatisch, denn die Tiere vieler Amphibienarten werden nicht alt - der Fortpflanzungserfolg, die Anzahl der Tiere, die sich in ein paar Jahren wieder fortpflanzen können, bestimmt die Zukunft der Population!

Weiterführende Informationen:

Der Bund Naturschutz zum Autoverkehr in Bayern.

Die große Datenbank der betreuten Wanderwege in Bayern zeigt viele Stellen, an denen Amphibien Straßen überqueren müssen.

Ein bisher oft unterschätztes Problem lauert direkt vor der eigenen Haustür: In Dörfern und an Stadträndern geraten die Amphibien in Licht- und Belüftungsschächte, ungesicherte Brunnenschächte oder Straßengullys. Hier verhungern oder vertrocknen sie, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt werden.

Und auch in „gut gepflegten“ Hausgärten ergeht es vielen Amphibien schlecht: Haus- und Kleingärtner hantieren immer noch eifrig mit der Giftspritze: Über 500 Tonnen Unkrautvernichtungsmittel verteilen sie in ihrem privaten Grün. Zugelassen sind im Amateurbereich durchaus auch solche Pestizide, die für Wasserlebewesen, Insekten und Amphibien hochgefährlich sind. Dazu gehören vor allem Produkte, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, wie etwa „Round-up“, „Vorox“, „Cleaner“ oder „Unkraut-Frei“. Das besondere Problem beim Gifteinsatz hinter der Gartenhecke ist, dass es keine behördliche Kontrolle gibt. Eine Überdosierung nach dem Motto „viel hilft viel“ kann fatale Folgen für die Umwelt haben. Amphibien beispielsweise reagieren besonders empfindlich auf Glyphosat: Ihre Embryonalentwicklung wird gestört, viele Kaulquappen sterben, selbst erwachsene Tiere finden beim direkten Hautkontakt den Tod. Der BN plädiert für einen anderen Weg: In der Broschüre „Garten ohne Gift“ finden Sie Tipps, wie die Giftspritze vermieden und die Ökologie im Garten geschützt werden kann.

Faltblatt BUND Naturschutz: „Garten ohne Gift“ (PDF)

Generell fordert der BN ein Verbot aller glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel. (Siehe hier für Details)

Es ist unbestritten: Wir erleben deutliche Veränderungen des Klimas – die Folgen für unsere Amphibien können wir nur ahnen. Dabei sind Kröten, Frösche und Molche den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark ausgesetzt. Denn Amphibien können nicht fliegen, und nur begrenzt in andere, besser geeignete Regionen wandern. Dies kann nur über viele Generationen erfolgen und nur dann, wenn die Vernetzung der Lebensräume sichere Wanderungen erlaubt. Die Winter werden immer milder, Frostperioden fielen in den letzten Jahren oft in die traditionelle Wanderzeit von Erdkröte und Grasfrosch. Durch die selteneren Niederschläge gehen immer mehr Feuchtlebensräume verloren, das Wandern in noch vorhandene passende Gebiete ist in unserer industrialisierten Landschaft sehr schwierig geworden. Oder das Frühjahr ist fast niederschlagsfrei – unter diesen Bedingungen wandern die Frühlaicher nicht zum Laichgewässer. Sie warten auf bessere Chancen im nächsten Jahr.

Vollkommen unerforscht sind die Auswirkungen auf den Nachwuchs. Waren die Kaulquappen der Frühlaicher Erdkröte und Grasfrosch schon gut angewachsen bevor die Spätlaicher wie Laubfrosch und Teichfrosch laichten, fallen die Laichzeiten der Arten immer häufiger zusammen. Wir wissen nicht, ob es eine Konkurrenz zwischen den Kaulquappen gibt. Und wir wissen auch nicht, ob das Fehlen der Kaulquappen gerade im zeitigen Frühjahr anderen Arten eine wichtige Nahrungsquelle nimmt.

Chytridpilz Bd (Batrachochytrium dendrobatidis)

Seit Ende der 1990er-Jahre haben Forscher eine weitere Bedrohung für Amphibien ausgemacht: Chytridpilze. Einer von ihnen, der ursprünglich aus Afrika stammende Bd (Batrachochytrium dendrobatidis), wurde im vergangenen Jahrhundert über sogenannte Apothekerfrösche verbreitet, die für Schwangerschaftstests weltweit eingesetzt wurden: Urinproben – beziehungsweise die darin enthaltenen Hormone – schwangerer Frauen lösen bei den weiblichen Fröschen innerhalb von 24 Stunden eine Laichablage aus. Während Apothekerfrösche immun sind, befällt der Pilz bei anderen Amphibien die Haut und löst die häufig tödlich verlaufende Chytridiomykose-Krankheit aus. Seit den 1980er-Jahren gibt es in Mittel- und Südamerika sowie Australien regelrechte Epidemien, in Deutschland und Europa nahm der Befall in den vergangenen Jahren ebenfalls zu. Zur Verbreitung tragen hierzulande aber eher Wildfänge und Terrarienhaltung bei. Wissenschaftler forschen zu Heilungsmethoden, andere sehen jedoch auch eine mögliche Koexistenz zwischen Amphibien und Pilz.

Chytridpilz Bsal (Batrachochytrium salamandrivorans)

In den vergangenen Jahren ist ein weiterer Pilz zur Gefährdung geworden. Der aus Asien stammende Chytridpilz Batrachochytrium salamandrivorans (kurz Bsal) befällt Feuersalamander und auch Molche. Seit den 2000er-Jahren gibt es ein Massensterben in den Niederlanden, doch die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Bsal erfolgte erst 2013. In deutschen Biotopen wurde Bsal in der Eifel ab 2015 nachgewiesen, im Ruhrgebiet ab 2017. 2020 wurde ein erster Fall in Bayern im Steigerwald bekannt.

Bsal kann alle einheimischen Schwanzlurche befallen, also auch alle unsere Molcharten. Das betroffene Organ ist die Haut, Tiere zeigen dann ein abnormes Verhalten wie Lethargie. Beim Feuersalamander sind die typischen äußeren Merkmale besonders auf den gelben Hautpartien als dunklere Pünktchen oder Flecken erkennbar, den sogenannten Hautläsionen. Allerdings können manche Feuersalamander auch befallen sein, ohne dass dies von außen erkennbar ist.

Was können Sie dagegen tun?

Um die Ausbreitung von Bd und Bsal zu verhindern und die Amphibien in Bayern nicht zu gefährden, sollten Wanderer und Naturbeobachter einige Vorsichtsmaßnahmen beachten:

  • Sind Schuhe oder Hosen mit einem Amphibiengewässer in Kontakt gekommen, sollten Sie diese trocknen, bevor Sie ein weiteres Amphibiengewässer aufsuchen: Der Pilz Bd stirbt durch Trocknung, allerdings müssen auch Erde oder Schlamm im Schuhprofil vollständig getrocknet sein.
  • Während diese Maßnahmen noch vergleichsweise einfach durchzuführen sind, wird es bei konkreter Gefahr durch Bsal deutlich schwieriger. Hier muss desinfiziert werden (70%-iger Alkohol, Spiritus, spezielles Desinfektionsmittel).
  • Vermeiden Sie dringend den Besuch von mehreren Quellgebieten mit dem gleichen Schuhwerk, bzw. wechseln Sie in diesem Fall bitte das Schuhwerk, um keine Sporen zu vertragen. Reinigen Sie Ihre Schuhe zuhause.
  • Falls Sie auffällige Tiere mit Hautveränderungen oder tote Amphibien – insbesondere Feuersalamander – finden, machen Sie bitte Fotos und senden diese zügig an horst.schwemmer@bund-naturschutz.de. Noch besser wäre es, wenn Sie die Möglichkeit haben, ein Tier einzufrieren. So können wir eine genetische Untersuchung durchführen.

Die Ausbreitung von Bsal einzudämmen wird eine schwierige Aufgabe, da vom Wanderer bis zum Waldarbeiter sehr viele Menschen im Wald unterwegs sind, und auch Mountainbiker die Sporen mit ihrem Reifenprofil verbreiten können. Versuchen Sie, Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Danke!