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Atomreaktor Temelin zu unsicher

Umweltminister Dr. Schnappauf irrt: Temelin ist nicht nachrüstbar

21.05.2001

Beim internationalen Temelin-Hearing in Passau unterbreitete der Bund Naturschutz ein aktuelles Gutachten von Dr. Helmut Hirsch, wiss. Berater aus Hannover, das sich mit den vielen ungeklärten Fragen zur Sicherheit des Atomkraftwerks Temelin auseinandersetzte.

Danach reichen umfangreiche und langwierige Nachrüstmaßnahmen nicht aus, um den Reaktor auf das vom deutschen Atomgesetz geforderte Sicherheitsniveau zu bringen. Damit ist der Reaktor Temelin trotz vieler Milliarden tschechischer Kronen Nachrüstung auf dem selben Stand wie der baugleiche Reaktor in Stendal, der 1991 von Bundesumweltminister Töpfer stillgelegt wurde, ohne Chance auf eine Betriebsgenehmigung.


Wichtigste Sicherheitsdefizite:

* Die Schweißnähte des Reaktordruckbehälters, die in der sowjetischen Bauvariante besonders nahe an den radioaktiven Brennelementen liegen, enthalten einen hohen Nickelgehalt und sind daher sehr versprödungsanfällig.
* Der Bruch einer Frischdampfleitung würde nicht nur zum Wasserverlust, sondern auch zur Zerstörung der Nachbarleitungen führen, die alle eng nebeneinander gelegt sind.
* Ein solcher Störfall gerät leicht außer Kontrolle und führt zum Platzen des Reaktordruckbehälters. Die räumliche Trennung und Kammerung der Leitungen wäre nur mit großen Umbauten zu bewerkstelligen.
* Nach einer Kernschmelze bildet sich Wasserstoff, der in der komplizierten räumlichen Aufteilung des Containments zu unüberschaubaren Explosionen und zum Platzen der Sicherheitshülle führen kann.
* Für die Sicherheits- und Abblasventile sind umfangreiche Testreihen notwendig, gerade wenn Wasser und Dampf gemischt durch die Leitungen strömen.
* Die Erdbebengefährdung ist weit unterschätzt, Tanks, Rohrleitungen, Armaturen müssen nachgerüstet werden, genauere seismische Untersuchungen würden Jahre erfordern.

Der Gutachter Dr. Hirsch führte eine Vielzahl weiterer ungelöster Probleme an, die sich auch auf die Qualitätssicherung der Bauteile bezogen. Der Reaktor ist seit fast zwei Jahrzehnten im Bau. Vielfach ist nicht einmal mehr nachprüfbar, unter welchen Bedingungen die Anlagenteile hergestellt wurden. Tests im eingebauten Zustand aber sind unmöglich.


Größte Schäden möglich - keine Versicherung

Was der Gutachter für die oberösterreichische Landesregierung konstatierte, lässt sich auch für die südbayerische Region feststellen:

Nach einem Reaktorbersten können abhängig von der Wetterlage Bodenkontaminationen zwischen 1,5 und 5 Mill. Becquerel Cäsium 137/m2 auftreten (zum Vergleich: in Weißrussland wurde die Bevölkerung aus allen Gebieten mit einer Belastung von mehr als 1,5 Mill. Bq/m2 umgesiedelt).

Eines der Tagungsergebnisse des Temelin-Hearings war auch, dass für solche Unfälle keine Versicherung eintritt, tschechische wie deutsche Atomreaktoren sind von einer Haftpflichtversicherung befreit.

Eine Abordnung der Reaktorbetriebsmannschaft aus Temelin, die erstmals an einer BN-Veranstaltung in Bayern teilnahm, erging sich in allgemeinen Bekenntnissen zur Sicherheit des Reaktors. Die Reaktorfahrer verstiegen sich sogar zur Behauptung, dass der Defekt an der Turbine (der vermutlich bald zum Auswechseln des 60 Meter langen Werkstücks führt) ein ganz normales Ereignis im Rahmen der Inbetriebnahme sei. Solche Technik machte den Hearing-Gästen Angst.


Atomreaktor unnütz

Allen Warnungen zum Trotz und sogar gegen das Votum der tschechischen Gebietskörperschaften wurde der Atommeiler Temelin in den letzten Jahren mit vielen Milliarden Kronen weitergebaut. Die bei den Inbetriebnahme-versuchen zerstörte Turbine wird die Kosten weiter in die Höhe treiben und den Zeitplan völlig sprengen.

In den UVP-Unterlagen der Betreibergesellschaft CEZ heißt es "für den Fall, dass es nicht möglich sein sollte für diesen Strom auf dem heimischen oder ausländischen Markt innerhalb einiger Jahre Absatz zu finden, ist die Fertigstellung des KKW Temelin unwirtschaftlich."
Dennoch hat der tschechische Industrieminister Gregr sein Amt mit der rechtzeitigen Inbetriebnahme von Temelin verknüpft. Er wird daran scheitern.


Deutsche Stromversorger wollen tschechischen Dumpingstrom

E.ON und andere deutsche Stromversorger unterlaufen die Regeln der Marktwirtschaft, indem sie an Stromimporten, wie an der Übernahme des tschechischen Stromversorgers CEZ größtes Interesse zeigen.

Auch die bayerische Landesbank hat bereits mit Krediten in Höhe mehrerer Hundertmillionen DM der CEZ aus der finanziellen Patsche geholfen. Da der Strom aus Temelin weder im tschechischen noch im deutschen Stromnetz gebraucht wird, ist jeglicher Weiterbau des Reaktors unsinnig.

Es tröstet auch nicht, dass E.ON den Reaktor auf westliches Niveau nachzurüsten gedenkt, falls CEZ demnächst eine Tochterfirma von E.ON ist (wie kürzlich der E.ON Sprecher Dr. Reutersberg einräumte). Der Bund Naturschutz fordert daher den völligen Verzicht auf den Betrieb des Reaktors.

Der Bund Naturschutz widerspricht Umweltminister Dr. Schnappaufs Einstellung, wonach nur noch einige kleine Probleme mit der Speisewasserleitung gelöst werden müssten, dann könne der Reaktor in Betrieb gehen. In Wirklichkeit machen die vielen ungelösten Sicherheitsfragen einen totalen Umbau des Atomkraftwerks Temelin nötig. Auch das damit erzielte Sicherheitsniveau bleibt unbefriedigend und weit hinter den von der Atomkraftförderorganisation IAEO geforderten Richtwerten zurück.


Weg von E.ON

Tausende Menschen in Südostbayern haben bereits dem Stromversorger E.ON den Rücken gekehrt und sind zu anderen Versorgern gewechselt. Bürgerentscheide sollen nun in vielen Städten die Stadtwerke von ihren Lieferbeziehungen mit tschechischem Strom abbringen, solange Temelin nicht endgültig abgeschaltet ist. Da der Reaktor offenbar nur mit den Importwünschen deutscher Stromversorger und den hohen Subventionen durch tschechische Stromkunden in Betrieb genommen werden kann, setzen sowohl tschechische Verbraucherschützer, wie deutsche Stromkunden am wirkungsvollsten Hebel an, nämlich an den Geschäftsbeziehungen mit der CEZ.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert daher die tschechische Atomaufsichtsbehörde SUJB auf, die Testläufe sofort einzustellen um größeren Schaden abzuwenden.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert den Stromversorger e.on auf, seine Pläne zur Übernahme des maroden Atomkraftwerks Temelin ad acta zu legen.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung auf, auf Einhaltung des deutsch-tschechischen Umweltabkommens zu dringen, so dass die bisher geheimgehaltenen Sicherheitsunterlagen veröffentlicht werden.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert die Bundesregierung überdies auf, die von CEZ vorgelegten Strompreisangebote zu überprüfen und den Import von Strom zu Dumpingpreisen als Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln zu unterbinden.

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. fordert den sofortigen Bau- und Betriebsstop des Atomkraftwerks Temelin.


gez.

Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz in Bayern e.V.

Dr. Ludwig Trautmann-Popp
Energiereferent des Bundes Naturschutz in Bayern e.V