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EU-Finanzkürzungen und Pläne der Bundesregierung bedrohen Lebensqualität, Landwirtschaft und Tourismus in Bayern

Bauern und Naturschützer fordern Kurskorrektur

27.01.2006

Anlässlich drastischer Kürzungen der EU-Finanzmittel für den ländlichen Raum fordern der Bund Naturschutz in Bayern e.V., der Bioanbauverband BIOLAND und die Umweltstiftung EURONATUR von Bundesregierung und Bundesländern eine klare Positionierung pro Ländlicher Raum und zugunsten einer nachhaltigen Landwirtschaft. Dazu sei angesichts knapper Finanzmittel im Haushalt der EU und Deutschlands eine Prioritätensetzung zugunsten einer arbeitsplatzfreundlichen, bäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft erforderlich. Insbesondere müssten Agrarzahlungen zukünftig stärker für die Honorierung besonderer gesellschaftlicher Leistungen der Landwirtschaft vorgesehen werden. Thomas Dosch, Bioland Bundesvorsitzender: "Agrarzahlungen müssen auf präzise definierte politische Ziele ausgerichtet werden. Eine Berechtigung für Subventionen aus der Streichung alter Preisstützungmaßnahmen abzuleiten, ist überkommene Lobbyistenlogik und gefährdet die Anerkennung der Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern." Gegenüber den Steuerzahlern sei ein Höchstmaß an Transparenz gefordert, um auch zukünftig die Bereitschaft und Legitimation für eine Förderung im Agrarbereich zu ermöglichen. Angesichts gentechnikfreundlicher und biolandbaukritischer Äußerungen von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer fordern die Organisationen den Minister auf, sich auf einen sachorientierten Dialog einzulassen.
Die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe - insbesondere in Süddeutschland - werde auch zukünftig ihre wirtschaftliche Existenz und die entsprechenden Arbeitsplätze nur erhalten können, indem sie sich mit Qualitätsführerschaft wie z.B. dem Biolandbau oder mit Erwerbskombination dem Wettbewerb stellten. Eine Agrarpolitik, die dagegen die Betriebe zu weiteren Rationalisierungsschritten in Richtung billiger reiner Rohstoffproduktion animiere, führe in die falsche Richtung und stehe einer nachhaltigen Landwirtschaft entgegen.

Eine besondere Herausforderung stellten die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels zum Finanzhaushalt der EU für die nächsten sieben Jahre dar. Sie hätten insbesondere für die Wirtschaftsentwicklung des ländlichen Raums in Deutschland katastrophale Auswirkungen, beklagen die Verbände. "Für Deutschland bedeuteten die Beschlüsse eine dramatische Kürzung der Finanzmittel in diesem Bereich um ca. 40 %, in den westlichen Bundesländern sogar um minus 47. Dies gefährde den Bestand erfolgreicher Agrarumweltmaßnahmen und regionaler Entwicklungskonzepte.

Alleine im Bundesland Bayern würden - ohne Kurskorrektur - aufgrund massiver Kürzungen und falscher Prioritätensetzungen künftig pro Jahr 100 Mio. € EU-Mittel fehlen, mit denen bisher die Pflege der Kulturlandschaft, die Förderung von Regionalentwicklung und der Arbeitsplatz sichernden Qualitätsproduktion in vielen Regionen Bayerns vorangebracht wurde. Auch für neue Aufgaben der ländlichen Entwicklung, wie der Umsetzung der Flora Fauna Habitat Richtlinie oder der Wasserrahmenrichtlinie fehlten dann Gelder. Neben Bayern würde noch Baden-Württemberg besonders durch die absehbaren Mittelkürzungen betroffen sein. Die beiden süddeutschen Bundesländer hatten auf die Versprechungen der Politik gebaut, die sog. 2. Säule der Europäischen Agrarpolitik zu stärken. Während hier nun allerdings Kürzungen anstünden, würden jene Bundesländer indirekt belohnt, die auf die Förderung der Großbetriebe gesetzt haben.

Denn die 1. Säule der Agrarpolitik, vornehmlich die allgemeinen Flächenprämien, bleibe auf fast unverändert hohem Niveau. Diese Direktzahlungen werden bisher ohne jegliche soziale Anbindung bereits bei Einhaltung minimalster Bedingungen (Einhaltung gesetzlicher Standards) gezahlt, kritisierten die Verbände. In der Folge profitierten besonders die rationalisierten Betriebe, die möglichst billig und mit einem geringsten Arbeitskräftebesatz produzierten. Weil sich die Höhe der Zahlungen in Deutschland zudem noch an der Produktionsmenge der Vergangenheit richte, käme es zu teilweise absurden Verhältnissen. So streichen heute 1,1% der landwirtschaftlichen Betriebe gleich 25% des Subventionsvolumens ein. "Die ungerechte Verteilung der Fördermittel ist ein Skandal", so Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender. "Durch Obergrenzen für die Zahlungen an Agrarindustriebetriebe oder einen Arbeitskraftsbezug könnten Gelder für den ländlichen Raum umgeschichtet werden", so Weiger weiter.

"Eine weitere zentrale Möglichkeit, der inakzeptablen Schwächung der 2. Säule entgegen zu steuern, biete die Option für Mitgliedstaaten, bis zu 20 % der allgemeinen Direktzahlungen für die Förderung der ländlichen Entwicklung in der 2. Säule umzusteuern", so Lutz Ribbe von der Umweltstiftung Euronatur.. Das knappe Geld müsse im Sinne gesellschaftlicher Anforderungen an Lebensmittelerzeugung, Umwelt- und Tierschutz sowie Arbeitsplatzsicherheit effektiv nutzbar gemacht werden.

Während die Unterstützung einer Qualitätsproduktion durch die Finanzbeschlüsse schon wesentlich benachteiligt wird, kündigt Minister Seehofer ausdrücklich an, die Gentechnik in der Landwirtschaft befördern zu wollen. Noch sei unklar, wie er das umsetzen wolle. Aber wenn das sein Ziel sei, würde er Betrieben, die auf eine qualitäts- und kundenorientierte Lebensmittelerzeugung setzen, den Weg in die Zukunft noch zusätzlich verbauen. Nach wie vor gebe es weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene verbindliche Anbauregelungen, die Biobetriebe und traditionelle Landwirtschaft ohne Gentechnik vor Verunreinigungen ihrer Erzeugnisse durch gentechnisch veränderte Organismen schützten.

Sollte das Gentechnikgesetz so geändert werden, dass der Gentechnikeinsatz in der Land- und Lebensmittelwirtschaft aus der Verursacherhaftung genommen wird, drohe das faktische Ende der Wahlfreiheit von Landwirten und Verbrauchern. Mit einer Umkehr der Beweislast vom Verursacher hin zu den Geschädigten seien ausschließlich jene Bauern belastet, die ohne Gentechnik Lebensmittel erzeugen wollen und sich damit nicht zuletzt auch einen Markt sichern wollen.

Die Erzeugung gentechnikfreier Lebensmittel wäre damit mittelfristig nur noch mit einem hohen Kostenaufwand für vorsorgliche Schutzmaßnahmen möglich. Dies würde zu einer unabsehbaren Verteuerung konventionell und ökologisch erzeugter Lebensmittel ohne Gentechnik führen.