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Geplante Abstrafaktion von CSU-Abgeordneten

Diskriminierung des ehrenamtlichen Naturschutzes!

04.04.2005

Mit Empörung wehrt sich der Bund Naturschutz (BN) gegen einen Antrag von 24 CSU-Landtagsabgeordneten, die die Staatsregierung zur "Kürzung der Zuschüsse für den Bund Naturschutz" auffordern. Der in der bayerischen Naturschutzgeschichte einmalige Antrag zielt auf eine Ausgrenzung ausschließlich des BN aus staatlichen Förderprogrammen. Es handelt sich um Zuschüsse für die Pflege und Neuanlage von wertvollsten Feuchtwiesen, Trockenrasen oder Streuobstbeständen durch Zehntausende von Ehrenamtlichen oder vom BN beauftragte Landwirte. Dies gefährdet die wertvollsten Biotope Bayerns, die sich in Besitz des BN befinden, und den von der Staatsregierung hochgelobten ehrenamtlichen Einsatz im Naturschutz. Dieser Antrag verstößt gegen elementarste Verfassungsprinzipien und ist eine plumpe und durchsichtige Abstrafaktion für den BN und auch für das Umweltengagement bayerischer Bürger!

Antrag dokumentiert fachliche Unkenntnis

Der Landtagsantrag ist offensichtlich in Unkenntnis der bayerischen Förderprogramme formuliert worden. Im ersten Teil des Antrages wird die Staatsregierung aufgefordert, "im Vollzug des Doppelhaushalts 2005/2006 bei projektbezogenen Maßnahmen des Bund Naturschutz keine pauschalen Anteile für Verwaltungs- und Personalkosten auszureichen". Dies bezieht sich auf Landschaftspflegemittel und das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP). Beim vom Freistaat durchgeführten VNP wird aber ausschließlich mit Hektarsätzen gefördert, damit gibt es hier gar keine der von den Antragstellern vermuteten Pauschalbeträge.

Beim seit 1983 bestehenden Landschaftspflegeprogramm muss der BN bei jeder Einzelmaßnahme mit genau dokumentierten Stundenzetteln abrechnen, die ausschließlich die geleistete Arbeitszeit beim Arbeitseinsatz (z.B. Mahd Feuchtwiese, Neupflanzung von Hecken) umfassen. Pauschale Abrechnungen von Verwaltungs- und Personalkosten gibt es auch hierbei nicht für den BN!

Bis zur Änderung der Landschaftspflegerichtlinie am 1.1.2004 gab es sehr wohl bei anderen Verbänden - nicht aber beim BN - derartige "pauschale Anteile für Verwaltungs- und Personalkosten". Die 50 in Bayern bestehenden Landschaftspflegeverbände, deren Vorsitzende in der Regel die jeweiligen Landräte sind, erhielten eine 15% Verwaltungs- und Personalkostenpauschale. Dies wurde für die Landschaftspflegeverbände erst seit letztem Jahr - wie für den BN schon immer gültig - auf Stundenabrechnungen und Einzelnachweise umgestellt.
Heute dürfen nur noch exklusiv die Naturpark-Vereine in Bayern 10% pauschale Personal- und Verwaltungskosten abrechnen.
Wenn bei der Durchführung von Landschaftspflegemaßnahmen landwirtschaftliche Maschinenringe beteiligt sind, wurden bzw. werden von diesen bis heute zwischen 3 - 10 % pauschale Verwaltungs- und Personalkosten abgerechnet. Die Stoßrichtung des Antrages läuft damit bezogen auf den BN völlig ins Leere. Wenn den CSU-Parlamentariern pauschale Abrechnungen ein Dorn im Auge wären, müssten sie bei ihrer eigenen Klientel zuerst anfangen!

Antrag rechtlich nicht haltbar

Im zweiten Teil des Antrages wird die Staatsregierung aufgefordert, "einschlägige Projekte in Zukunft verstärkt an Landschaftspflegeverbände und die übrigen anerkannten Naturschutzverbände zu vergeben". Damit soll der BN, mit 165.000 Mitgliedern der zweitgrößte der acht in Bayern anerkannten Naturschutzverbände, speziell ausgegrenzt werden. Fachliche Gründe werden nicht genannt. Die Arbeit des BN beim Anlegen oder der Pflege von Biotopen ist seit Jahrzehnten unumstritten hervorragend. Die 1.300 Hektar Grundbesitz und ca. 900 Hektar Pachtflächen des BN sind Spitzenreiter im Artenreichtum, Perlen des bayerischen Naturschutzes und unersetzbarer Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Die Pflegequalität ist wesentlich besser als auf vergleichbaren Grundstücken.

Einen staatlich anerkannten Maßnahmeträger, dessen fachliche Qualifikation unzweifelhaft ist, von in seiner Kernkompetenz liegenden Naturschutzprojekten auszuschließen, verstößt gegen zentrale Grundsätze des Gleichbehandlungsgebotes der Bayerischen Verfassung (Art. 118) und des Grundgesetzes (Art.3) sowie des staatlichen Verwaltungshandelns. Gleiche Sachverhalte müssen gleich behandelt werden, also müssen alle anerkannten Naturschutzorganisationen gleich behandelt werden. Die fachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung dieser CSU-Abgeordneten verstößt gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, die Neutralitätspflicht des Freistaates Bayern und gegen den Verfassungsgrundsatz des Schutzes der Natur.

Die wahren Motive

Unter den 24 antragstellenden CSU-Landtagsabgeordneten befinden sich auffallend viele, die in ihrem Wahlkreis oder in ihrer parallelen Funktion z.B. als Vertreter des Bayerischen Bauernverbandes bzw. Landesjagdverbandes Konflikte mit dem BN haben. Der Antragsberichterstatter MdL Christian Meißner droht im Lichtenfelser Raum schon seit Jahren, "dass die Blockierer vom Bund Naturschutz keinen einzigen Euro und keinen Cent aus bayerischen Steuermitteln erhalten" (Fränkischer Tag, 12.8.2003), damit dieser seinen Widerstand gegen den autobahngleichen Neubau der B 173 durch den wertvollsten Abschnittes des Obermaintales aufgibt. Der BN hatte hier in einem Prozess gegen den Freistaat vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht Recht bekommen. Mit anderen Abgeordneten wie Jürgen Ströbel (Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes BBV), Anton Kern (Kreisobmann BBV), Annemarie Biechl (Bezirks- und Landesbäuerin des BBV) oder Franz Kustner (Waldpräsident des Bayerischen Bauernverbandes und BBV-Präsident der Oberpfalz) gab es z.B. Konflikte wegen unzureichender Ausweisung von Schutzgebieten für das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000.
Auch hier wurde der BN durch die EU-Kommission in seiner Kritik bestätigt und der Freistaat zu erheblich mehr Gebietsmeldungen gezwungen.
Prof. Dr. Jürgen Vocke als Präsident des Landesjagdverbandes (der in Bayern ebenfalls als Naturschutzverband anerkannt ist und damit zu den im Antrag erwähnten "übrigen" Verbänden zählt, die statt dem BN Projekte erhalten sollen) nutzt seit Jahren die aus der staatlichen Jagdabgabe mitfinanzierte eigene Vereinszeitschrift zu massiven Angriffen gegen den BN und war wie der BBV, MdL Philipp Graf von und zu Lerchenfeld oder MdL Heinrich Rudrof entschiedener Gegner des BN beim nur knapp verlorenen Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" im letzten Jahr.

Bei Landschaftseingriffen wie auch der geplanten Donaukanalisierung (MdL Bernd Sibler als Befürworter) und europäischen Ausweisungsverfahren für Schutzgebiete wird der BN als unbequemer, "nicht auf Linie zu bringender" und in der Öffentlichkeit kritisch agierender Verband gesehen. Der Versuch dieser Abgeordneten, einen unabhängigen und großen Umweltverband, der seinen Auftrag, Natur in Bayern zu schützen ernst nimmt und dazu verfassungsmäßige Rechte wie auch ein Volksbegehrens nutzt, über den Umweg staatlicher Zuschüsse abzustrafen, zeigt ein fragwürdiges demokratisches Grundverständnis. Diese CSU-Abgeordneten werden damit auch nicht dem Verfassungsauftrag auf Schutz der Natur (Art. 141 der Bayerischen Verfassung) gerecht. Mit seiner Arbeit, die jetzt abgestraft werden soll, setzt sich der BN seit Jahrzehnten für die Umsetzung bayerischer Verfassungsziele ein.

Der BN appelliert an führende CSU-Mandatsträger, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ministerpräsident Stoiber, der das ehrenamtliche Engagement im Naturschutz immer besonders gewürdigt hat und Umweltminister Schnappauf, der den BN als verlässlichen Partner in Hunderten von Umsetzungsprojekten des staatlichen Naturschutzes kennt und öffentlich wiederholt anerkannt hat, sind aufgefordert, ausgerechnet im 100. Jahr des Bestehens des Naturschutzes in Bayern diese versuchte Abstrafaktion mit der Mehrheit der CSU-Fraktion abzulehnen.