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BUND NATURSCHUTZ FORDERT KONSEQUENZEN NACH DER HOCHWASSERKATASTROPHE IN BAYERN

HOCHWASSERVORSORGE BRAUCHT UMSTEUERN BEI GE-WÄSSERSCHUTZ UND AUENGESTALTUNG, LANDBEWIRT-SCHAFTUNG, SIEDLUNGSPLANUNG UND KLIMASCHUTZ-POLITIK

07.06.2013

Die derzeitige Hochwasserkatastrophe in vielen bayerischen Regionen und besondes an der niederbayerischen Donau ist für die Betroffenen erschütternd. Die Schäden für Mensch und Umwelt werden riesig sein. Der BUND Naturschutz hat Hochachtung vor der großen Hilfsbereitschaft und Solidarität der Menschen und begrüßt die finanziellen Soforthilfen für die Betroffenen.

Für  eine tatsächliche Hochwasservorsorge vor der nächsten Katastrophe fordert der BUND Naturschutz neben einer ehrlichen Ursachenanalyse allerdings ein konsequentes Umsteuern. „In Bayern muss es endlich einen klaren Vorrang für den ganzheitlichen, flächendeckenden und ökologischen Hochwasserschutz geben“, so BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger. Dazu gehören eine aktive Klimaschutzpolitik,  die Schaffung von natürlichen Überschwemmungsräumen an Gewässern aller Größenordnungen mit Renaturierung ihrer Auen, der Stopp weiterer Flächenversiegelung,  die Durchsetzung von Bauverboten auch für Straßen in Überschwemmungs-gebieten und eine Agrarförderpolitik,  die eine bodenverbessernde und Wasser rückhaltende Land- und Forstwirtschaft wieder ermöglichen.

„Für den Wasserrückhalt in der Fläche, für die Wiedergutmachung an begradigten Bächen und Flüssen sowie für den Moorschutz muß der bayerische Landtag in den nächsten zehn Jahren mehr Geld ausgeben als für den Straßenbau“, fordert Weiger.

Für alle Landtagsabgeordneten werde das derzeit diskutierte Landes- entwicklungprogramm ein erster Prüfstein dafür sein, ob die Versprechungen,  die es auch schon nach den letzten Hochwasserereignissen gegeben habe, endlich in konsequente Ziele zur Hochwasservorsorge umgesetzt würden.  Die Landtagsmehrheit hatte sich bislang ebenso wie die kommunalen Spitzenverbände Bayerischer Gemeindtag und Landkreistag für Erleichterungen bei Flächenverbrauch und -versiegelung eingesetzt.

Für einen vorsorgenden Hochwasserschutz müsse zudem die gesamte Bodenbewirtschaftung mittelfristig geändert werden. Die seit Jahren konsequent betriebene „Austreibung des Wassers aus der Landschaft“ müsse hin zu mehr Wasserrückhalt umgepolt werden. Dazu gehörten neben der Verringerung des Abflusses durch die Renaturierung der Gewässer auch der Schutz und die Wiederanlage von Wiesen und Weiden, da diese deutlich mehr Wasser speichern.  Auch die Erhöhung der Wasserspeicherfähigkeit von Ackerböden durch die Verringerung humuszehrender landwirtschaftlicher Kulturen wie Mais, muss mit einer anderen Agrarförderpolitik umgesetzt werden.

Der BUND Naturschutz fordert Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei den derzeit laufenden Verhandlungen in Brüssel die Weichen für eine naturnähere Landwirtschaft zu stellen.  Dabei müssen Fördergelder umgeschichtet werden von pauschalen Flächenzahlungen, die auch Monokulturen mit 75 Prozent  Maisanbau ermöglichen hin zu Agrarumweltmaßnahmen und  für den vorbeugenden Hochwasserschutz. Dazu gehören auch die Förderung von Erosionsschutzstreifen in allen hängigen Ackerkulturen und die Ausweisung von Gewässerrandstreifen. Gerade in  kleinen begradigten Gräben und Bächen fließen bei stetigen Regenfällen große Wassermengen ab, die zur Hochwasserbildung beitragen.

„Hochwasserschutz in Bayern wird von der bayerischen Staatsregierung bislang eher durch teure technische Großprojekte definiert. Doch Beton, Polder und noch eine Erhöhung der Deiche allein können die Bevölkerung vor einer erneuten Flut nicht ausreichend schützen und verlagern die Probleme vielfach nur zu den Unterliegern. Der ökologische Hochwasserschutz, beispielsweise die Rückverlegung von Deichen und Reaktivierung natürlicher Hochwasserräume wie der Auen oder Moore muss nun ebenso Priorität bekommen“, fordern  die BN-Kreisvorsitzenden Karl Haberzettl von Passau und Georg Kestel von Deggendorf.

Der BUND Naturschutz fordert die bayerische Staatsregierung und auch alle Kommunen auf, in der bayerischen Hochwasserschutz-Politik umzusteuern und den Schwerpunkt auf einen ganzheitlichen ökologisch und ökonomisch dauerhaft tragfähigen Hochwasserschutz zu legen – vor dem nächsten Hochwasser.

Zentrale Defizite in der Hochwasserschutzpolitik

Der Freistaat Bayern investierte bislang vor allem in höhere Deiche, obwohl diese für Anwohner nur eine trügerische Sicherheit bieten und den Abfluss für die Unterlieger verschärfen. Es fehlt ein Gesamtkonzept für die Flüsse und ihre Zuflüsse mit ihren gesamten Einzugsgebieten. In den bayerischen Alpen wird Bergwald für den Skisport gerodet, obwohl dieser wichtig für den Wasserrückhalt ist und obwohl der  „Bergwald-Beschluss“ des Bayerischen Landtages Bergwald-Rodungen eigentlich verbietet.

Wirklich positive Beispiele eines ganzheitlichen und damit auch ökologischen Hochwasserschutzes sind dagegen rar. Dazu gehört für den BN beispeilsweise die Reaktivierung von natürlichen Wasserrückhalteräumen in Auen, in Mooren und in der gesamten Landschaft (Mulden etc.). Beispielhaft sind hierfür die teilweise bereits durchgeführten und weitere geplante Deichrückverlegungen an der mittleren Isar. Der Auwald zwischen München und Freising hatte beim Hochwasser 2005 den Scheitelabfluss um 180 Qubikmeter und damit rund 20 Prozent des Gesamtabflusses verringert und das Hochwasser verzögert.

Der ökologische Hochwasserschutz ist zwar eine der drei Säulen des Bayerischen „Hochwasserschutzkonzeptes 2020“ (vorgestellt im Jahr 2001), „doch diese Säule ist sehr schwach und existiert hauptsächlich in den Reden, nicht jedoch in der Praxis“ kritisiert der BN. Das gleiche Schicksal hat offensichtlich das bayerische Auenprogramm, das ebenfalls hervorragende Grundlagen erarbeitet hat und nun der Umsetzung, d.h. einer aktiven systematischen Förderung neuer Projekte harrt. Auch für die Moorentwicklung haben die bayerischen Behörden mit dem Moorentwicklungskonzept sehr gute Fachgrundlagen geschaffen, doch die Moorrenaturierung wird in Bayern nicht aus Hochwasserschutz-Geldern finanziert.

Wie nötig Deichrückverlegungen und die Rückgewinnung von Retentionsraum sind, zeigen die Zahlen zum Verlust an den deutschen Flüssen: sie haben nur noch rund 20 Prozent ihrer früheren natürlichen Überschwemmungsfläche. Ursachen dafür sind Flussbegradigungen, Deichbauten, Verkehrswege und  Staustufen. 90 Prozent der Fließgewässer in Bayern sind verbaut. Mit einer Deichrückverlegung gewinnen der Hochwasserschutz und die Aue, deren Lebensräume weitgehend zerstört und gefährdet sind. Die natürliche Überflutung von Auen entschärft die Hochwassergefahren für die Menschen und belebt die Lebensräume der Aue.

Bisher scheitert der ganzheitliche ökologische Hochwasserschutz, der vor allem darin besteht, den Flüssen den notwendigen Raum zu geben, vielfach an seinem Flächenbedarf. Der BUND Naturschutz fordert deshalb verstärktes finanzielles und personelles Engagement der Staatsregierung beim Flächenerwerb und bei nötiger Entschädigung. Einen weiteres zentrales Defizit sieht der BN nach wie vor in der Bauleitplanung. „Es darf nicht sein, dass weiterhin in Überschwemmungsgebieten neue Schadenspotentiale geschaffen werden, die die Allgemeinheit später bezahlen muss“. Der BN fordert eine Überprüfung aller Flächennutzungspläne auf ihre Vereinbarkeit mit den Überschwemmungsgebieten und den überschwemmungsgefährdeten Gebieten.

Für Rückfragen:

Richard Mergner

BN Landesbeauftragter

Tel.:  0911-8187825 oder 0171-6394370