Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Europäisches Naturschutzrecht mit Füßen getreten

Ortsumgehung Mittelstreu - ein Präzedenzfall für behördliche Untätigkeit

05.03.2008

Obwohl die Gemeinde Oberstreu seit Ende Januar ohne die erforderliche Ausnahmegenehmigung Rodungsarbeiten für die geplante Ortsumgehung Mittelstreu durchführen lässt, sehen das Landratsamt Rhön-Grabfeld und die Regierung von Unterfranken als zuständige Naturschutzbehörden tatenlos zu.

Nach Auffassung des BN ist dies ein landesweiter Präzedenzfall für behördliche Untätigkeit und bewusste Missachtung europäischen Naturschutzrechtes.

Der BN fordert deshalb einen sofortigen Baustopp für dieses Projekt.

Er wird diesen Fall auf höchster politischer Ebene zur Sprache bringen, um damit für die Zukunft die konsequente Durchsetzung europa- und landesweit verbindlicher Artenschutzbestimmungen durch alle bayerischen Behörden sicher zu stellen.

 

Schon seit Ende Januar führt die Gemeinde Oberstreu in der als Schutzgebiet von europäischem Rang („FFH – Gebiet“) ausgewiesenen Streuaue westlich Mittelstreu (Lkr. Rhön-Grabfeld) umfangreiche Rodungsarbeiten für eine dort geplante Ortsumgehung durch, deren Sinn und Notwendigkeit bis heute höchst umstritten ist.

 

Genehmigt hat sich die Gemeinde diese Strasse selbst im Rahmen der Bauleitplanung.

Der dafür vom Gemeinderat am 25.09.06 beschlossene Bebauungsplan steht nach Auffassung des BN juristisch auf so wackeligen Füßen, dass er wohl kaum einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde.

Auch schert sich die Gemeinde bis heute keinen Deut darum, dass sie mit dem Bau (und den Rodungsarbeiten) schon deshalb noch gar nicht hätte beginnen dürfen, weil sie dafür lt. Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10.01.06 eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung benötigt.

Diese ist vorgeschrieben, da vom Projekt u.a. Fledermausarten betroffen sind, die in Anhang IV der europäischen FFH – Richtlinie genannt sind.

Für eine fundierte Beurteilung durch die Regierung von Unterfranken, ob diese Ausnahmegenehmigung überhaupt erteilt werden darf, reicht nach  Meinung des BN das als Grundlage dafür erst im Dezember 2007 bei der Regierung vorgelegte Fachgutachten wegen gravierender Mängel und Defizite keinesfalls aus.

Zudem ist bis heute zwischen Regierung von Unterfranken und Landratsamt Rhön – Grabfeld ungeklärt, ob statt dessen die mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im November 2007 quasi als Hintertürchen eingeführte Ausnahmenregelung des § 42 Abs. 5  angewendet werden darf.

 

Der eigentliche Skandal:

Die für die Umsetzung und die Beachtung europäischer wie bundesdeutscher Naturschutzgesetze zuständigen Behörden (Regierung von Unterfranken und Landratsamt Rhön-Grabfeld) sehen wochenlang tatenlos zu, wie die Gemeinde nicht nur die Trasse im Gelände abgesteckt , sondern sogar durch großflächige Gehölzrodungen in einem ausgewiesenen FFH – Gebiet europäisches Naturschutzrecht eklatant missachtet und vollendete Tatsachen geschaffen hat.

Dabei war über den Baubeginn schon am 30. Januar in der örtlichen Presse berichtet worden und hatten besorgte Bürger das Landratsamt telefonisch davon informiert.

 

Wie einem Schreiben des Landratsamtes vom 29.02.08 an den Bund Naturschutz zu entnehmen ist, sah sich diese Behörde jedoch erst aufgrund eines entsprechenden Briefes des BN aus dem fernen Nürnberg vom 13.02.08 veranlasst, eine Ortseinsicht vornehmen zu lassen.

Im gleichen Brief wird dann lapidar festgestellt, dass lt. Ortseinsicht vom 14.02. die Rodungsarbeiten praktisch abgeschlossen seien und deshalb die vom BN geforderte Einstellung der Arbeiten letztendlich ins Leere gelaufen wäre.

Dass die Rodungsarbeiten keinesfalls Selbstzweck waren, sondern sich daran die eigentlichen Bauarbeiten mit noch massiveren Eingriffen anschließen werden, die genauso gegen europäisches Naturschutzrecht verstoßen können – davor verschließt das Landratsamt offensichtlich die Augen.

 

Die Strategie der vollendeten Tatsachen ist damit für die Gemeinde Oberstreu voll aufgegangen!

 

Daran wird auch die vom Landratsamt Rhön-Grabfeld nach den massiven Einsprüchen des BN für den 12. März kurzfristig angekündigte Behördenbesprechung bei der Regierung von Unterfranken nichts mehr ändern können.

Regierung und Landratsamt werden sich nach allen bisherigen Erfahrungen dort sicherlich nicht zu einem Baustopp durchringen, sondern der Gemeinde mit einigen Floskeln des Bedauerns und mit Verweis auf die berühmt- berüchtigten Sachzwänge die gewünschte Ausnahmegenehmigung erteilen.

 

 

 

Regierung wie Landratsamt müssen sich in dieser Situation vorwerfen lassen, in ihrer Funktion als Naturschutzbehörden kläglich versagt  und den unübersehbaren Verstoß der Gemeinde Oberstreu gegen europäisches Artenschutzrecht zumindest billigend in Kauf genommen zu haben.

Statt zu handeln, frühzeitig und nachdrücklich  genug bei der Gemeinde die Beachtung der rechtlichen Vorgaben unmissverständlich einzufordern und bei Rodungsbeginn sofort einen Baustopp zu verhängen, haben sie sich darauf beschränkt, auf dem Amtsweg über juristische Spezialfragen zu diskutieren und sich gegenseitig den Schwarzen Peter der Zuständigkeit zuzuschieben.

 

Was jetzt passiert ist, war schon beim Satzungsbeschluss der Gemeinde im  September 2006 absehbar, da bereits im vorausgegangenen Anhörungs- und Genehmigungsverfahren Naturschutzbelange sehr stiefmütterlich behandelt worden waren.

Einen Rodungs –/ Baubeginn unter klarer Missachtung des europäischen und bundesdeutschen Artenschutzrechtes hätten beide Behörden verhindern können und als Vertreter des staatlichen Naturschutzes verhindern müssen!

Dass sie offensichtlich kein großes Interesse hatten, gegenüber der Gemeinde die Beachtung geltender Naturschutzgesetze durchzusetzen, ist schon daran ablesbar, dass das für die Prüfung einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung erforderliche Fachgutachten erst im Dezember 2007  - also mehr als 1 Jahr nach dem Satzungsbeschluss der Gemeinde – vorgelegt worden ist und dieses vom BN mehrfach eingefordert werden musste.

 

Beide Behörden tragen deshalb jetzt die Verantwortung dafür, dass in Mittelstreu das europäische Artenschutzrecht zur Farce verkommen ist und dort ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der landesweit eine höchst fatale Signalwirkung für andere Gemeinden und Vorhabensträger haben wird.

 

Der BN fordert den sofortigen Baustopp für dieses Projekt, bis von übergeordneten Behörden geprüft worden ist, ob diese Ortsumgehung überhaupt mit europäischem und bundesdeutschem Artenschutzrecht vereinbar ist und eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt werden darf.

 

Der Bund Naturschutz wird diesen Fall auch auf höchster politischer Ebene zur Sprache bringen, um damit für die Zukunft die konsequente Durchsetzung europa- und landesweit verbindlicher Artenschutzbestimmungen durch alle bayerischen Behörden sicher zu stellen.