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Hochwasserschutz durch Landbewirtschaftung - effiziente und kostengünstige Alternative

BN fordert bessere Förderung für bodenschonende und wasserspeichernde Bewirtschaftungsmaßnahmen statt zu teurer high-tech-Projekte, wie im Landkreis Augsburg

24.10.2007

Hochwasserschutz wird in Bayern vor allem durch häufig sehr teure technische Großprojekte umgesetzt. Doch Beton, Polder und eine weitere Erhöhung der Deiche können die Bevölkerung nicht vollständig schützen. Neben der notwendigen Rückverlegung von Deichen mit einer Renaturierung der Gewässer und Talauen, die zu einer „Verlangsamung“ des Wasserablaufes und einer möglichst weitgehenden Rückgewinnung von verlorenem Retentionsraum mit natürlicher Überflutungsdynamik führt, fordert der BN auch ein stärkeres Augenmerk für die kleinen flächendeckenden Maßnahmen, die in der Landbewirtschaftung umgesetzt werden können. Wird die Landnutzung auf der gesamten Fläche auf eine möglichst bodenschonende, wasserspeichernde und hochwasserverträgliche Nutzung umgestellt, so kann der Wasserrückhalt auf der gesamten Fläche erhöht werden. Diese Maßnahmen sind in vielen Fällen nicht nur ästhetischer und ökologisch sinnvoller, sondern auch kostengünstiger als große Rückhaltebecken, um Hochwasser zu vermeiden. Das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Forschungsarbeit der Universität Hohenheim.

 

Gesamtes Hochwassereinzugsgebiet berücksichtigen

Das Projekt der Universität Hohenheim beschränkt sich nicht nur auf Überflutungsebenen im Uferbereich, sondern betrachtet das ganze Hochwassereinzugsgebiet. Entscheidend ist, dass die Wasserspeicherfähigkeit und die Versickerungsfähigkeit der Böden verbessert wird und der Wasserabfluss in Hanglagen gebremst wird. Dazu gibt es ein ganzes Bündel von Bewirtschaftungsmaßnahmen, das in einem Mix genau auf den jeweiligen Standort zugeschnitten sein muss. Neben Bodenlockerung und Bodenschonung können Mulchsaaten, temporäre Untersaaten, Zwischenfruchtanbau, Winterbegrünung, organische Düngung und Kalkung durchgeführt werden. Der Wasser-abfluss in Hanglagen kann durch Querbewirtschaftung, Schlagteilung, Querdammhäufelung im Kartoffelanbau und Ackerrand- bzw. Grünstreifen gebremst werden. Schließlich gibt es auch das Instrument der kooperierenden Anbauplanung und der virtuellen Flurbereinigung.

 

BN kritisiert geplante Umsetzung im Landkreis Augsburg

 

Obwohl diese vorbeugenden Maßnahmen das oberste Ziel des Hochwasserschutzes, nämlich so viel Wasser wie möglich so lange wie möglich auf der Fläche zu halten, kostengünstig und wirksam unterstützen, sieht die Praxis meist anders aus. Der Schwerpunkt liegt in Bayern zur Zeit auf dem Bau von großen Rückhaltebecken. Dies ist auch im Landkreis Augsburg der Fall. So sind zum Beispiel im Anhauser Tal zwei Rückhaltebecken mit 630 000 cbm Rückhaltevolumen geplant (Kosten: 3,4 Millionen Euro). Dabei sind Dammhöhen bis 6,75 m vorgesehen. Im Schwarzachtal werden verschiedene Varianten von Rückhaltebecken diskutiert. Das beauftragte Planungsbüro favorisiert eine Kombination  von Rückhaltebecken südlich von Waldberg mit einer Stauhöhe von 4 m, 150 000 cbm Volumen und 640 000 Euro Baukosten, in Oberschönenfeld mit einer Dammhöhe von 3,2 m  und 150 000 cbm, sowie eine Rückhaltung südlich von Gessertshausen mit 345 000 cbm Volumen, 5 m Stauhöhe und geschätzten 940 000 Euro Baukosten. In Thierhaupten entsteht ein Becken mit 545 000 cbm Volumen, das 2,3 Millionen Euro kosten soll. Dazu wird ein 1,9 km langer Damm gebaut. In Dinkelscherben sollen auf 79 ha 540 000 cbm im Falle eines hundertjährigen Hochwassers zurückgehalten werden: Kostenpunkt 1,6 Millionen Euro. Die Stadt Stadtbergen hat gerade ein Rückhaltebecken mit 108 000 cbm, einer Dammhöhe von 5 m mit einer Baukostensumme von 1,21 Millionen Euro fertig gestellt. 32 700 cbm Gelände mussten bis maximal 2 m eingetieft und abgetragen werden. An der Schmutter und Neufnach sollen 10 bis 12 Millionen Euro für insgesamt 11 Regenrückhaltebecken ausgegeben werden. Dies sind nur einige Beispiele der im Landkreis Augsburg geplanten und bereits durchgeführten Baumaßnahmen. Die Situation stellt sich in anderen Landkreisen Bayerns nicht grundlegend anders dar.

 

Der BN weist darauf hin, dass beim Hochwasserschutz nicht ganz auf den Bau von Rückhaltebecken verzichtet werden kann, fordert jedoch nachdrücklich, dass dieser technische Hochwasserschutz nicht der alleinige Schwerpunkt aller Maßnahmen bleiben darf.

 

Positive Beispiele aus Niederbayern als Vorbild

Es gibt auch positive Beispiele, wie zum Beispiel im oberen Vilstal in Niederbayern. Hier wurde ein gemeinsames Entwicklungskonzept mit den Zielen besserer und kostengünstiger Hochwasserschutz, bessere Wasserqualität und mehr Naturschutz erstellt. Beteiligt waren das Wasserwirtschaftsamt Landshut, das Amt für Landwirtschaft und Forsten, die Direktion für Ländliche Entwicklung und die höhere Naturschutzbehörde. Die Grundstückseigentümer wurden bereits zu Beginn der Planungen miteinbezogen. Ein Umsetzungsberater besuchte über 130 aktive Landwirte und befragte sie zu betrieblichen Strukturen und zur Betriebsentwicklung. In sogenannten Gemarkungstreffen wurden zwischen Landwirten und Projektverantwortlichen die wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Pläne sowie deren Umsetzbarkeit jeweils für das Gebiet von ein bis zwei Gemarkungen diskutiert. Das Realisierungskonzept wird aus EU-Mittel mitfinanziert. Aber auch aus dem Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm, dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm und dem Forstlichen Förderprogramm stehen Gelder zur Verfügung, die eventuell entstehende wirtschaftliche Nachteile für die Grundstücksbewirtschafter ausgleichen können. Neben dem Hochwasserschutz ergeben sich dabei auch positive Effekte für den Bodenschutz und den Naturschutz.

 

BN Forderungen

Insgesamt sind die Steuergelder bei der Förderung der bewirtschafteten Flächen effektiv und mit entsprechenden Nutzen angelegt und in vielen Fällen auch eine Alternative zu groß dimensionierten Rückhaltebecken.

Um dieses Potential realisieren zu können ist eine offensive Herangehensweise an die betroffenen Grundeigentümer bzw. Bewirtschafter erforderlich.

 

·       Ein Realisierungskonzept muss die Ziele des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft und der Landwirtschaft integrieren. Umsetzungsberater müssen bei Planungen frühzeitig durch Befragung und Beratung die aktiven Landwirte mit einbinden.

·       In sogenannten Gemarkungstreffen können die wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Pläne, sowie deren Umsetzbarkeit jeweils für das entsprechende Gemarkungsgebiet diskutiert werden.

·       Die einschlägigen Fördermaßnahmen müssen offensiv von den Ämtern dargestellt werden, was erheblich zur Akzeptanz von geplanten Maßnahmen beitragen kann.

 

 

Für Rückfragen:

 

Barbara Zach, BN Regionalreferentin für Schwaben, Tel. 089/54829863
barbara.zach@bund-naturschutz.de

 

Marion Ruppaner, BN Referentin für Landwirtschaft, Tel. 0911/81 87 8-20

marion.ruppaner@bund-naturschutz.de

Anlage:

Maßnahmen in der Landwirtschaft zur Verbesserung des Wasserrückhalt auf der Fläche

 

 

1. Erhalt bzw. Neuanlage von Grünland

Dauergrünland speichert durch Bewuchs und Boden deutlich mehr Wasser als Ackerflächen. Auf einer Wiese werden bis zu 2 Liter/mim „Tropfenkleid“ gehalten. Nach dem Regen verdunstet dieses Wasser wieder. Im Vergleich zu Ackerland ist der Oberflächenabfluss von Dauergrünland nur halb so hoch. Das bayerische Kulturlandschaftsprogramm bietet folgende Fördermaßnahmen für Grünlandflächen:

-Extensive Grünlandnutzung mit Verzicht auf jegliche Düngung und chemische Pflanzenschutzmittel entlang von Gewässern: 280 Euro/ha

-Umwandlung von Ackerland zu Grünland: 250 Euro/ha

 

2. Erhalt bzw. Neuanlage von Kleinstrukturen (z.B. Hecken, Raine, Grünstreifen)

Ziel muss es sein, die natürliche Pufferfähigkeit der Landschaft wieder zu stärken und gleichzeitig zur Minderung der ökologischen Probleme dieser Landschaften beizutragen. Aus diesem integrierten Ansatz ergeben sich Maßnahmen, die in intensiv genutzten Agrarlandschaften auch in anderen Zusammenhängen dringend erforderlich sind: Die Anreicherung der Landschaft mit Rainen, Hecken und Uferrandstreifen ist auch eine Forderung des Arten- und Biotop-, sowie des Erosionsschutzes. Vor allem in Hanglagen wird durch diese Landschaftsstrukturen der Wasserabfluss gebremst und damit Wasser auf der Fläche zurückgehalten. Grünstreifen zum Gewässer- und Bodenschutz werden im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm mit 7 Euro/ar gefördert.

 

3. Erhalt bzw. Neuanlage von Geländestufen

Eine Unterteilung von großen Ackerschlägen in Hanglagen durch Geländestufen lässt keine Abflussrinnen entstehen, in denen das Wasser sich sammeln und ungebremst dem nächsten Vorfluter zufließen kann. Werden die Teilflächen abwechselnd mit Winter- bzw. Sommerkulturen bestellt, verstärkt sich der Effekt der Wasserrückhaltung.

 

4. Ganzjährige Bodenbedeckung (z.B. durch Fruchtfolgegestaltung, Zwischenfruchtanbau, Winterbegrünung)

Vegetation speichert nicht nur Wasser, sondern verbessert auch die Durchlässigkeit der Oberfläche. Wasser dringt schneller und tiefer in den Boden ein. Abgeerntete Felder können durch eine Winterbegrünung auch nach der Ernte mit z.B. abfrierenden Pflanzen wie Phacelia oder Senf zur Abflusshemmung eingesät werden. Ganzjährig ist eine Randbegrünung der Felder möglich. Im Rahmen des bayerischen Kulturlandschaftsprogramms wird die Winterbegrünung mit 60 bis 80 Euro/ha gefördert.

Werden besonders erosionsgefährdete Kulturen, wie z.B. Mais, Zuckerrüben oder Sonnenblumen in der Fruchtfolge nach Kleegras gestellt, ergibt sich durch die Wurzeln des Kleegrases eine hohe Aggregatstabilität, die Erosion und Wasserabfluss mindert. Weißkleeuntersaaten in Getreide können nach der Ernte stehen gelassen werden und bei Mais als Folgekultur streifenförmig bei der Maiseinsaat bearbeitet werden (Maiswiese). Bei Kartoffeln ist die breitwürfige Einsaat von Senf bei Beginn des Krautabsterbens eine Begrünungsmaßnahme, die beim Roden der Kartoffeln durch die nur schwach entwickelten Senfpflanzen keine Probleme macht.

 

5. Ackerbewirtschaftung quer zum Hang

Werden Ackerfurchen nicht längs, sondern quer zum Hang angelegt, fungiert jede Ackerfurche als kleiner Damm, der das Wasser zurückhält und versickern lässt.

 

6. Verbesserung der Bodenstruktur

Die auf ungeschützten Boden aufschlagenden Regentropfen können zu einer Zerschlagung der Bodenaggregate führen. Aus den Feinteilen dieser Aggregate entsteht eine Verschlämmungsschicht, die das Einsickern von Regenwasser beeinträchtigt. Diese verminderte Infiltration erhöht die Gefahr von Oberflächenabfluss und Bodenerosion. Zur Erhaltung der Bodenstruktur ist besonders auf eine standortgerechte Kalk- und Humusversorgung zu achten. Den wichtigsten Beitrag zur Bodengareförderung leistet die Mulchbereitung. Mulchmaterial regt in vielfältiger Weise das Bodenleben an und trägt so aktiv zur Erhaltung einer funktionsfähigen Krume bei.  Als Mulchmaterial eignen sich Pflanzenreste der Vorfrucht (Stoppeln, Stroh, Spreu), abgestorbene oder abgetötete Zwischenfrüchte und aufgebrachte organische Stoffe wie Stallmist, Kompost u.a..

 

7. Vermeidung von Bodenverdichtungen 

Bodenverdichtungen beeinträchtigen den Luft- und Wasserhaushalt der Böden. Insbesondere wird das Porenvolumen vermindert und damit die Infiltration von Niederschlagswasser verschlechtert. Wird der Boden durch mechanische Belastung verdichtet, kommt es zu Populationseinbrüchen bei Regenwürmern von bis zu 70 %. Gerade Regenwurmröhren stellen einen wichtigen Teil der Grobporen im Boden dar. Von allen Bodentieren sind allerdings Regenwürmer am ehesten in der Lage, verdichteten Boden wieder zu lockern. Für das Ausmaß von Verdichtungen durch landwirtschaftliche Maschinen sind der Kontaktflächendruck, sowie die Kontaktfläche die entscheidenden Faktoren. Eine Reduzierung lässt sich durch Verringerung der Fahrzeug- und Gerätegewichte, oder durch Vergrößerung der Aufstandsfläche erreichen. Letzteres ist durch Anbringen von Gitterrädern oder Zwillingsbereifung, Verwendung von Breitreifen (Terrareifen) oder durch Senkung des Reifeninnendrucks möglich.

 

8. Reduzierung der Bodenbearbeitung ( Minimalbodenbearbeitung, Mulchsaat)

Hier hat sich die Mulchsaat als sehr effektive Maßnahme erwiesen. Bei dieser Methode werden die Stoppeln des Vorjahres nicht untergepflügt, sondern nur flach bearbeitet. Die Pflanzenreste sterben ab und bilden eine Mulchschicht, in welche die neue Saat direkt eingesät wird. Das hat den Vorteil, dass der Regen nicht mit voller Wucht auf den Boden trifft, sondern von der Mulchschicht abgedämpft wird und besser versickern kann. Zudem verkrustet die Bodenoberfläche nicht so stark. Darüber hinaus werden bestehende Regenwurmröhren nicht zerstört. Das Volumen von Röhren in Lößböden beträgt durchschnittlich 13 Liter/m2. Es ist für deren Funktion als Wurzelraum und als Dränage- bzw. Belüftungsröhren immens wichtig.

Für die pfluglose (konservierende) Bestellung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:

-Bestellung mit Krumenlockerung. Dafür geeignet ist die vorhandene Technik, wie Grubber, Kreiselegge, kombiniert mit Drillmaschine

-Bestellung ohne Krumenlockerung (Bearbeitungstiefe = Saattiefe). Zum Einsatz kommen hier Geräte wie Frässaatmaschinen, Universaldrillmaschinen (z.B. mit Scheibenscharen) und andere direktsaattaugliche Maschinen.

Die Mulchsaat wird nach dem bayerischen Kulturlandschaftsprogramm mit 80 Euro/ha gefördert.

 

9. Ökologischer Landbau

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft hat nachgewiesen, dass ökologisch bewirtschaftete Böden doppelt so viel Niederschlagswasser aufnehmen können, wie die Böden konventioneller Betriebe – ein wichtiger Beitrag zum Hochwasserschutz. In den Böden der Biobetriebe leben durchschnittlich siebenmal so viele Regenwürmer wie in konventionell bewirtschafteten Böden. Kleegras ist ein wichtiges Fruchtfolgeglied im Ökolandbau. Die Wasseraufnahmefähigkeit ist hier ähnlich einzustufen wie bei Dauergrünland. Ökologisch bewirtschaftete Böden weisen in der Regel einen hohen Humusgehalt auf. Es ergibt sich eine verbesserte Krümelstruktur, die resistent gegen Verschlämmung ist und die Infiltration von Wasser begünstigt. Ökologischer Landbau wird im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm mit 190 Euro/ha bei  Ackerflächen und Grünland gefördert.

 

Und zudem:

10. Vermeidung von Bodenversiegelung bzw. Entsiegelung von Flächen

Der Begrenzung des Flächenverbrauchs kommt für die Zukunft zentrale Bedeutung zu, sowohl im Hinblick auf die Ökologie, als auch für die Wasserwirtschaft. Garageneinfahrten, Parkplätze und Schulhöfe lassen sich auch ohne Versiegelung planen und bauen. Die Bodenoberflächen bleiben dabei durchlässig; Regen läuft nicht mehr schnell über die Kanalisation ab, sondern wird direkt dem Untergrund zugeführt.

Bereits vorhandene Versiegelung lässt sich nur begrenzt zurücknehmen, die hochwasserverschärfende Wirkung derselben jedoch sehr wohl. Die geeignete Methode hierzu ist die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, eine Kombination aus Speicherung, Versickerung und Ableitung des Wassers. Das von versiegelten Flächen ablaufende Wasser muss ortsnah versickert  und so dem Grundwasser zugeführt werden. Außerdem kann Regenwasser zu Brauchwasserzwecken, z.B. für die Toilettenspülung genutzt werden. Im Ergebnis fällt in der Kanalisation weniger Wasser an und die Trinkwasserentnahme mit ihren ökologischen Folgeproblemen, wie z.B. Grundwasserabsenkung, wird entlastet.